Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Regenmaedchen

Das Regenmaedchen

Titel: Das Regenmaedchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabi Kreslehner
Vom Netzwerk:
»Wenn das kein Schuldeingeständnis ist,
fress ich einen Besen.«
    Franza nahm das Handy, leitete alles in die Wege. Erneut
dachte sie an den Staatsanwalt und seinen Auftritt nach Bohrmanns Amoklauf.
»Das wird ein gefundenes Fressen für den Doktor Brückl«, sagte sie. »Er wird
uns in der Luft zerreißen. Endlich ein Fall nach seinem Geschmack, ein schönes,
junges Mädchen ermordet, ihr Gesicht perfekt für alle Titelseiten und
Nachrichtensendungen, noch dazu im Sommerloch, und dann lassen wir Nichtskönner
den Mörder entkommen. Was für ein Tiefschlag! Endlich hätte er sich profilieren
können!« Sie seufzte.
    Der Staatsanwalt stand an dieser Grenze, an der sie alle
standen. Nicht mehr jung, zwar noch nicht alt, aber eben auch nicht mehr jung,
und das wog schwer bei einem wie ihm, denn schon mehrmals hatte er bitter
miterleben müssen, wie junge Hengste, wirklich junge
Hengste ihn links und rechts der Karriereleiter überholten.
    Wie das hatte geschehen können, war ihm durchaus klar. Die
anderen standen schon auf der richtigen Seite, während er die Straße noch
überqueren musste. Die anderen standen schon zur Abfütterung bereit am großen
Karrieretopf, während er erst noch heranhechelte. Nie hatte er die wirklich
spektakulären Kriminal- oder Politfälle zwischen die Finger bekommen, die
passierten immer anderswo, in Berlin oder Hamburg oder anderen großen Städten,
niemals jedoch in diesem Provinznest, das er am liebsten zwischen seinen
regelmäßig von Max instand gehaltenen Zähnen zermalmt hätte.
    Über dem Staatsanwalt schwebte also die Donnerfaust des
Nichterkanntwerdens, des Nichterkanntseins, und das war eine Katastrophe für
einen wie ihn, der ehrgeizig war und hungrig und voller Unruhe und sich
allmählich zu fürchten begann. Vor dem schmählichen Untergang. Vor der
Erkenntnis, es nicht geschafft zu haben.
    Zu steil schien allmählich der Karriereberg, das
Gipfelkreuz ein allzu fernes Leuchten, zu weit entfernt war er noch davon mit
seiner Sehnsucht und der mangelnden Puste, die Nacht schon nahe, die
endgültige, die Nacht des Alters. Franza wusste das alles aus erster Hand, was
sie amüsierte, ihn aber provozierte, was sie durchaus einsah. Trotzdem genoss
sie ihre Kaffeerunden mit seiner Frau, der Tochter des Nachbarn aus ihrer
Bach-Kindheit. Nebeneinander auf väterlichen Schultern aus den Hochwässern
ihrer Kindheiten getragen zu werden verband eben, und da Franza ihr Wissen
nachweislich nicht ausnützte und Sonja Brückl hin und wieder ein mitfühlendes
Ohr brauchte, lieh Franza ihr eines. Außerdem, behauptete Franza Herz
gegenüber, wenn es sie und ihr Ohr nicht gäbe, wären Brückls schon lange nicht
mehr Brückls.
    »Geht ihr wieder Kaffeetrinken?«, fragte Herz grimmig.
Offensichtlich hatte sein Humor sich noch nicht zurückgemeldet. »Um den
Tiefschlag zu erörtern?« Ja. So war es. Ein Tiefschlag. Aber man konnte nichts
tun. Man konnte nur weiterarbeiten. Das taten sie, nahmen Lauberts' Hausschuhe
mit, die sie unter dem Bett gefunden hatten. Für den DNA-Vergleich. Seine
Zahnbürste hatte er ja selbst mitgenommen auf seine Reise, wohin immer diese
ihn geführt hatte, zum Teufel auch!
    Was für ein Versäumnis! Längst schon hätten sie seine DNA
haben können, er hatte Wasser getrunken in ihrem Büro, es hatte ein Wasserglas
mit Spuren gegeben. Sie hätten ihn fragen müssen, ob er rauchen wolle.
    All das war nicht geschehen! Was für ein Versäumnis! Nur
weil er ihnen nicht den Eindruck eines Mörders gemacht hatte. Aber wer, zum
Teufel, machte schon den Eindruck eines Mörders?! Erst jetzt, wo er abgetaucht
war ... Sie schickten einen jungen uniformierten Kollegen mit den Schuhen zu
Borger, mit dem Vermerk »DRINGEND!«.
    Sie klemmten sich an die Telefone, einer kümmerte sich um
die Internate der Kinder, der andere um den Urlaubsort der Frau, beides erwies
sich als zäh. Endlich hatten sie die Schulen, Eliteinstitute, wie sie es
erwartet hatten. Lauberts war weder in der einen noch in der anderen
aufgetaucht, auch, wie sie es erwartet hatten. Trotzdem ein Tiefschlag. Hätte
ja sein können, dass er sich nach seinen Kindern sehnte.
    Der Ärger schlug Herz auf den Magen und dann auf den Darm,
also zog er sich zurück. Zwar war ihm dies einer der liebsten Zeitpunkte des
Tages, aber normalerweise absolvierte er ihn zu Hause und frühmorgens,
abgeschottet auf dem verhältnismäßig engen Areal der Toilette, aber, und nur
darum ging es doch, allein mit sich und der Welt. Niemand und

Weitere Kostenlose Bücher