Das Regenmaedchen
doch ganz gut. Und ich eigentlich auch. Glaubst du wirklich,
dass er fähig wäre, jemanden kaltblütig und wohlüberlegt aus dem Auto zu zerren
und ihn bewusst und geplant in den Tod stolpern zu lassen? Die erste Verletzung
ist die eine Sache, so etwas passiert im Affekt, sie hatten Streit, ein Wort
gibt das andere, einer schlägt zu, das kennen wir, das hatten wir tausend Mal,
das lässt sich halbwegs in Ordnung bringen, wenn man dann richtig reagiert.
Aber was dann folgte, nein, das ist nicht Ben! Ben hätte richtig reagiert. Ben
ist kein Mörder!« Er machte eine kurze Pause, schaute nachdenklich an Franza
vorbei zur Tür. Ich liebe dich, dachte sie, ich liebe dich, danke, mein Herz.
»Außerdem«, fuhr er fort, »hat Arthur gestern auf dem
Parkplatz wieder jede Menge Zigarettenstummel aufgesammelt. Und wenn mich nicht
alles täuscht, wenn ich also nicht ein kompletter Idiot bin, sind da welche
dabei, die mit denen von Dienstag übereinstimmen.«
Sie schaute ihn fragend an. »Der Mann«, sagte er langsam,
»der dir gestern beistand, als du diese Panikattacke hattest, ich glaube, das
ist unser Mann. Kannst du ihn beschreiben? Kam er dir bekannt vor?«
Sie schüttelte verblüfft den Kopf. »Nein. Nein. Ich war so
...« Sie schwieg einen Augenblick, er merkte, es war ihr peinlich. »Das kann
jedem mal passieren«, sagte er. »Es gibt keinen Grund, sich dafür zu schämen.«
Sie lächelte dankbar. »Ich kann mich kaum an etwas erinnern. Kannst du dir das
vorstellen? Das ist schrecklich.«
Er nickte. Sie dachte nach. »Nein«, fuhr sie fort. »Ich
hab ihn kaum gesehen, eigentlich stand er immer ... hinter mir, soweit ich mich
erinnere.« Sie seufzte. »Aber wie kommst du darauf?«
Felix kratzte sich am frisch rasierten Kinn. »Erstens hat
er sich merkwürdig verhalten, zweitens ist es einfach ein Gefühl, und drittens
wäre es für Ben die Entlastung, denn wenn er es gewesen wäre, der dir gestern
geholfen hat, dann hättest du das doch vermutlich irgendwie gespürt, auch wenn
er versucht hätte zu verhindern, dass du ihn erkennst.« Sie nickte
nachdenklich.
»Du hast an die DNA-Analyse gedacht?«
»Natürlich«, sagte sie und holte ein Plastiksäckchen
heraus, in dem sich einige Haare befanden, die sie am Morgen aus Bens Bürste
gezogen hatte. »Raucht er denn überhaupt?«
Sie seufzte. »Ja. Manchmal. Das hat meine Angst ja noch
geschürt.«
»Naja«, sagte er. »Die halbe Menschheit raucht. Oder
zumindest ein Drittel.«
»Stimmt«, sagte sie. »Obwohl, irgendetwas kam mir
tatsächlich bekannt vor. Irgendetwas. Aber was? Ein Geruch, ein Duft?«
»Ja?«, fragte Felix gespannt. »Weiter. Konzentrier dich.«
Sie versuchte es, ohne Erfolg.
»Macht nichts. Wir werden es herausfinden«, sagte er. »Und
Robert überwacht ab sofort den Parkplatz. Vielleicht kommt er ja noch mal
wieder. Vielleicht haben wir Glück.«
Er würde nicht noch einmal herkommen. Es war zu
gefährlich. Seit diese Polizistin mit dem merkwürdigen Namen ihm in die Arme
gelaufen war, war der Parkplatz zu gefährlichem, also zu meidendem Terrain
geworden. Zwar ärgerte ihn da sein bisschen, es war sein und Maries letzter
gemeinsamer Ort, und er fand, er hatte ein Recht darauf, aber er sah auch ein,
dass er vorsichtig sein musste.
Auch wenn er absolut sicher war, dass sie ihn nicht
erkannt hatte, er hatte peinlich darauf geachtet, dass sie ihn nicht sah, hatte
sich in ihrem Rückengehalten, sich ihr nicht zugewandt. Auch wenn ihr
Wahrnehmungsvermögen derart eingeschränkt gewesen war, dass keine Gefahr
bestand.
Er konnte das abschätzen, wusste ja, wie es einem während
einer solchen Attacke ging, wie groß die Einsamkeit war, die Todesangst, und
dass man nichts und niemanden um sich herum sah.
Im Übrigen war er ruhiger geworden, tauchte immer seltener
schweißgebadet aus seinen Träumen, machte sich nicht mehr kirre, weil er Judith
verloren hatte, weil alles in einem Leben mit ihr hätte wahr und anders sein
können.
Schließlich hatte er doch ein gutes Leben. Also, was
wollte er?
Seine Frau gestattete ihm die Ficks, die er brauchte, die
Kinder gingen ihm nicht allzu sehr auf die Nerven, er jagte jeden Abend an der
Donau entlang, bis der Schweiß lief, den Job hatte er im Griff.
Das war 's doch! Was sollte man mehr wollen?
Sich von Ehrgeiz zerfressen lassen? Wozu?
Aber da war Judith gewesen. Und dann Marie. Und nun keine
mehr.
Heute Morgen hatte er die ersten grauen Haare bemerkt, nur
zwei, hinter dem rechten Ohr. Er hatte
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