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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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eine Katze zum Sprung ansetzt. »Kommen Sie, schleifen Sie mich mit Gewalt hinaus. Ich werde Sie kratzen und beißen und in die Eier treten.« In ihrer Wut und Verzweiflung schrie sie obszöne Worte aus ihrem früheren Leben.
    Thomas blickte hilfesuchend zu Benjamim Bento, dann winkte er mit beiden Händen ab, als er sah, daß Luise zu Helena gehen wollte. Im gleichen Augenblick brüllte diese auch schon los:
    »Bleib stehen, du Hure! Komm ja nicht näher!«
    Bento warf einen verzeihenden Blick zu Thomas, machte drei Schritte zum Bett, stand dann vor Helena und sagte in einem milden Ton:
    »Lena, sie wollen doch nur das Beste für Leonor. Und du bist auch nicht mehr in Manaus –«
    Gleichzeitig mit diesen Worten schlug er ihr rechts und links ins Gesicht. Sie sank auf dem Bett zusammen, gab keinen Ton von sich, drehte sich zur Seite und sank neben Leonors Beinen auf die Decke. Bento drehte sich um.
    »Es wird alles so gemacht, wie Sie wollen, Doktor«, sagte er völlig ruhig. »Ich bitte um Verzeihung für Senhora Helena. Sie hat es nicht so gemeint.«
    »Hätten Sie das nicht ohne Schläge regeln können?« fragte Luise. Ihr Gesicht war vor Empörung gerötet.
    »Senhora, es gibt Momente, in denen man Begrabenes neu begraben muß. Sie werden das nicht verstehen.«
    »Nein!«
    »Sie sind noch jung in diesem Land. Wenn Sie länger hier sind, werden Sie vieles anders verstehen.«
    Er faßte zu, riß Helena an den Armen hoch und verließ mit ihr das Krankenzimmer. Sie wehrte sich nicht, sie gab keinen Laut von sich und folgte ihm mit gesenktem Kopf. Leonore schlief wieder. Sie atmete tief und fest und hatte von allem nichts gehört noch gesehen.
    »Ich könnte hier nicht leben«, sagte Luise verzweifelt. »Ich möchte am liebsten alles hinschmeißen und zurückfliegen.«
    »Ohne mich?«
    »Warum?«
    »Ich habe einen Fünfjahresvertrag, und den muß ich erfüllen.«
    »Du willst fünf Jahre in dieser Hölle bleiben?!«
    »Vielleicht noch länger. Du siehst es doch, die Menschen hier brauchen mich.«
    »O Tom.«
    »Und ich brauche dich.«
    »Ich soll ein ganzes Leben lang –« Sie biß sich auf die Lippen, und ihr Gesicht war plötzlich von Ratlosigkeit und Entsetzen gezeichnet.
    »Wenn du mich wirklich liebst, so bedingungslos, wie ich dich liebe –«
    Sie warf einen Seitenblick auf Schwester Lucia, die Leonor gerade den Puls fühlte.
    »Tom«, sagte sie leise. »Schwester Lucia –«
    »Sie versteht kein Deutsch. Nur Italienisch und Portugiesisch. Ist das alles, was du zu sagen hast?«
    »Du weißt, wie ich dich liebe.«
    »Dann kannst du auch nicht flüchten.«
    »Das ist es ja. Glaubst du, daß wir hier glücklich werden können?«
    »Wir sind es doch bereits.«
    Er legte den Arm um sie, und so verließen sie das Zimmer. Draußen, auf dem Flur, drehte er sie zu sich herum und küßte sie.
    »Wir werden hier zugrunde gehen, Tom«, sagte sie mit ganz kleiner Stimme.
    »Nein! Und wenn, dann tun wir es gemeinsam.«
    Helena blieb doch auf der Mission. Sie bekam ein Bett im Nebenzimmer. Benjamim Bento fuhr mit seinem Landrover allein zurück nach Novo Lapuna.
    Sein erster Weg führte ihn zu Vasco, dem Türsteher der Disko. Er wohnte wie fast alle in dieser Goldgräberstadt in einer langgestreckten Baracke, die in zehn Wohnungen mit je zwei Zimmern aufgeteilt war. Fließend Wasser gab es in jeder Wohnung; nur die WCs und die Duschen lagen als gemeinsame Einrichtungen getrennt an dem langen Mittelgang. Oft hausten in einer ›Wohnung‹ acht bis zehn Garimpeiros, in zweistöckigen Betten übereinander und mit einem Tisch mit Stühlen herum. Das wenige an Kleidung hing an Haken an der Wand zwischen den Betten, für die Wäsche gab es eine Art Kommode aus Aluminiumblech mit einem abschließbaren Schloß. Anderer Besitz außer Kleidung und Wäsche hing meistens neben den Anzügen am Haken oder lag unter der harten Roßhaarmatratze. Eingebrochen oder gestohlen wurde selten. Wenn man den Dieb erwischte, brauchten die Garimpeiros keine Polizei und kein Gericht. Man machte das unter sich aus.
    So etwas sprach sich natürlich herum, solche Selbstjustiz hatte, wie Bento sagte, eine reinigende Wirkung, die Eigentumskriminalität war sehr gering – etwas anderes war es mit Mord und Totschlag: Das galt als eine rein private Sache. Hier wurde die Polizei tätig, allerdings nur formell, denn einen Mörder hatte sie bisher nicht festnehmen können.
    Vasco war einer der Auserwählten, die ein ganzes Zimmer für sich allein hatten. Er

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