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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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blieb ruckartig stehen, aber Schwester Lucia stieß sie in den Rücken.
    »Geh weiter«, flüsterte sie. »Du kannst es nicht ändern. Es hat keinen Zweck. Sie haben die Macht. Laß uns froh sein, daß wir nach Boa Vista kommen. Noch kann sich der Major neue Schikanen ausdenken.«
    Vor dem Flugzeug, das sie nach Boa Vista bringen sollte, stand der Major mit seinen vier Soldaten und kontrollierte: Nur ein Handgepäck! Als Luigi, mit der Glocke in der rechten Hand, vor ihm stand, starrte der Major ihn an.
    »Ist das ein Koffer?!« schrie er.
    »Senhor, Sie haben gesagt, was man mit einer Hand tragen kann. Von einem Koffer war nicht die Rede«, antwortete Luigi mutig.
    Seinen Mut bezahlte er schmerzhaft. Ohne ein weiteres Wort hieb ihm der Major zweimal ins Gesicht, Luigis Lippe platzte auf, Blut lief aus seinem Mund über Kinn und Hals, aber er hielt die Glocke fest und schloß nur die Augen. Ihn bloß nicht ansehen, sagte er sich. Sieh ihn nicht an! Du könntest mit der Glocke seinen Kopf zertrümmern. Aber hätte das einen Sinn?
    »Los, weiter!« schrie der Major. »Ich wünsche nur eins: daß die Maschine abstürzt.«
    Hinter Pater Vincence klappte die Tür zu. Der Pilot stellte die Motoren an, die Propeller begannen zu rotieren. Der Copilot, der die Tür verriegelte, schüttelte den Kopf.
    »Er ist ein Schwein, der Comandante«, sagte er leise zu Luigi. »Aber was können wir tun? Du bist ein tapferer Mann.«
    Das Flugzeug rollte zum Ende der Piste und setzte dann zum Start an. Als es sich erhob und die Mission seitlich vor ihnen auftauchte, sahen Luigi und Pater Vincence zum Fenster hinaus. Luigi hob die Glocke und begann zu läuten. Mit beiden Händen schwenkte er sie hin und her. Schwester Lucia bekreuzigte sich unter Tränen. Der helle, scheppernde Ton der alten Glocke übertönte einen Moment sogar den Motorenlärm.
    Ein letzter Gruß für Santo Antônio.
    Sehen wir uns wieder, oder wird aus der Mission eine bizarre Wüste, wie das hinter ihr liegende niedergebrannte Yanomami-Dorf?
    Luigi ließ die Glocke auf den Sitz neben sich sinken und wischte sich die Augen trocken.
    Bis Boa Vista sprach keiner ein Wort mehr.
    Für Paulo Lobos brach eine Welt zusammen. Nach der Flucht seiner Tochter Sofia mit Marco Minho in den Regenwald mobilisierte er alles, was er durch seine zahllosen Kreuz- und Querverbindungen bei den Politikern und Ministerien in Brasilia und Roraima erreichen konnte. Die Auflösung der Mission Santo Antônio genügte ihm nicht, war nur der Beginn einer großen Aktion, die sich gegen die Yanomami richtete, versteckt unter dem Vorwand der Nutzung des ›leeren‹ Landes.
    Alles, was den Regenwald völlig zerstören würde, wurde zur Lebensaufgabe von Paulo Lobos. Wenn der Regenwald starb, wurden auch die Yanomami vernichtet – und irgendwo würde dann auch Sofia wieder auftauchen und mit ihr auch Minho. Er würde den Pistoleiros nicht mehr entgehen.
    Oft tauchte Lobos jetzt bei Miguel Assis auf. Auch Assis hatte eine Niederlage zu verzeichnen: Sein Mordaufruf war wirkungslos geblieben. Niemand wagte es, einen Mann wie Julio Maputo, dessen Name und Kampf um die Rettung des Waldes und der Indianer mittlerweile die ganze Welt kannte, zu töten. Was sind 100.000 Dollar, wenn man nichts von dem Geld hat – kein angenehmes Leben, keine schönen Frauen, kein Dahindösen an den weißen Stränden der Karibik. Maputo war ein Symbol geworden – Maputo zu töten war, als würde man die ganze Welt gegen sich aufbringen.
    Pater Vincence, Luise, Luigi und die anderen Missionsmitglieder hatte man zunächst in einem leerstehenden Haus in Boa Vista untergebracht, zufällig gegenüber einer Polizeiwache, von der aus man jeden Schritt der Bewohner beobachten konnte. Die FUNAI sorgte für ihr Auskommen, sie verteilte Gutscheine, mit denen man überall einkaufen konnte.
    Vier Tage nach ihrer Ankunft stand Schwester Margarida vor der Tür. Sie wurde von acht Polizisten begleitet, darunter Sergento Moaco. Als Pater Vincence die Tür öffnete, dachte er erst, man wolle sie alle nun weitertransportieren, aber dann stürzte aus dem Ring der Polizisten Margarida hervor, fiel Luise um den Hals und begann laut zu weinen. Sie klammerte sich an Luise fest und zitterte am ganzen Leib.
    »Sie steht unter Schock, Pater«, erklärte Moaco bedrückt. »Ich glaube, es ist besser, wir bringen sie in ein Krankenhaus. Aber sie wollte zuerst zu Ihnen.«
    »Was ist passiert?« Er blickte auf Margarida, die in Luises Armen hing, einer

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