Das Regenwaldkomplott
im Keller der Staatspolizei. Beja atmete auf, Bilac sprach von elenden Schlappschwänzen in der Regierung. Paulo Lobos aber stoppte jede weitere ›Spende‹ an Bilac, weil der Coronel Marco Minho und den Yanomami-Stamm nicht jagte.
»Ich kann nicht ohne Befehl handeln!« protestierte Bilac halbherzig. Und Lobos schrie zurück:
»Ich denke, Sie befehlen?!«
»Aber ich muß mich nach oben absichern.«
»Es geht um meine Tochter!«
»Ich muß einen plausiblen Grund zum Angriff haben.«
»Ist die Verschleppung meiner Tochter kein Grund?«
»Sie ist freiwillig mitgegangen, Senhor Lobos. Das wissen wir jetzt.«
»Soll ich mit meinen Pistoleiros selbst suchen?«
»Das ist Ihre Entscheidung, Senhor Lobos.«
»Und Sie werden mich nicht daran hindern?«
»Ein Mensch, auch ein Polizist, kann nicht alles sehen –«
»Habe ich Ihr Wort?«
»Bisher haben Sie immer Vertrauen zu mir gehabt.«
»In Ordnung. Ich werde eine eigene Truppe zusammenstellen. Ich finde meine Tochter, Bilac. Ich finde sie, das schwöre ich Ihnen.«
»Ich zweifle keinen Augenblick daran, Senhor Lobos. Aber – es wird Verluste geben.«
»Meine Pistoleiros kennen das Risiko, dafür werden sie auch gut bezahlt. Ich werde außerdem für Minho ein Kopfgeld von 2.000 Dollar aussetzen. Bilac, wenn Sie mich doch hindern sollten – Sie stehen auf der Liste!«
Bilac benötigte nach diesem Gespräch mit Paulo Lobos eine Ruhepause, trank ein paar Gläser Kognak und war an diesem Tag nicht mehr erreichbar. Lobos dagegen handelte sofort.
Am nächsten Morgen schon rief er seine kleine Privatarmee im Park seiner Villa in Manaus zusammen und hielt eine kurze Ansprache.
»Ich habe einen Auftrag für euch«, sagte er ohne Einleitung. »Es geht um einen Marco Minho, einen Zoologen, der sich bis vor kurzem noch auf der Missionsstation Santo Antônio befand. Er ist zusammen mit einem Pater Ernesto und einem Mädchen im Wald verschwunden. Sie haben sich einem flüchtenden Yanomami-Stamm angeschlossen.« Er sprach wohlweislich nicht von Sofia als seiner Tochter – ein Pistoleiro bekommt einen Auftrag und hat sich für Hintergründe nicht zu interessieren. »Mir geht es darum, daß dieser Marco Minho verschwindet. Nicht der Pater und erst recht nicht das Mädchen. Nur Minho! Ich brauche also zehn Freiwillige, die in den Regenwald am Rio Parima vordringen, den Yanomami-Stamm aufspüren und Minho liquidieren. Der Kopf Minhos ist mir 2.000 Dollar wert. Darüber hinaus bekommen die zehn Freiwilligen von mir je 30 Hektar Land, das sie bebauen können, und für den Anfang zwei trächtige Kühe, Hühner, Schweine und Ziegen. Die zehn haben also für ihr ganzes Leben ausgesorgt. Ihre Frauen und Kinder werden glücklich sein.« Lobos blickte über die Gruppe seiner Pistoleiros. »Wer meint, diese Aufgabe übernehmen zu können, meldet sich nachher bei mir. Zehn Freiwillige – macht das unter euch aus.«
Eine Stunde später standen zehn Pistoleiros in der Bibliothek vor Lobos und sahen ihn erwartungsvoll an.
»Ihr seid also bereit, Marco Minho zu suchen?«
Die zehn nickten. Lobos sah jeden einzeln an und musterte ihn. Harte, verwegene Burschen, hervorragende Schützen, ihrem Herrn blind ergeben, aber in eine Welt hineingeboren, die nur Armut kannte, sklavische Abhängigkeit von den Landbesitzern, rechtlos bis auf das Recht, arbeiten zu müssen für den Profit ihrer Herren.
»Es ist eine gefährliche Sache«, sagte Lobos. »Das wißt ihr?«
Die zehn nickten wieder wortlos.
»Um so größer ist, wie ich euch gesagt habe, die Belohnung.« Lobos ging um den großen Schreibtisch herum und verschränkte die Hände hinter dem Rücken. »Es ist alles vorbereitet. Ihr fliegt übermorgen nach Boa Vista. Dort wartet auf dem Flugplatz A 9 ein Transporthubschrauber der Polizei auf euch und bringt euch nach Santo Antônio an den Rio Parima. Auf der ehemaligen Mission erwartet euch Tenente Ribateio. Mit einem Hubschrauber werdet ihr zunächst die Gebiete überfliegen und absuchen, in denen sich der Yanomami-Stamm mit Minho versteckt hält. Entdeckt ihr nichts, werdet ihr von Ribateio die Stelle gezeigt bekommen, wo die Yanomami in den Regenwald eingedrungen sein könnten! Könnten, sage ich – genau weiß das keiner. Von da ab müßt ihr euch allein durchschlagen. Wahrscheinlich haben die Indianer in den vergangenen Wochen irgendwo auf einer kleinen Rodung ihre Malocas aufgebaut. Das Wichtigste bei ihnen ist das Feuer. Ihr werdet es also schon von weitem riechen oder in der
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