Das Regenwaldkomplott
einem Dankgebet den Schalter und ließ die ersten Glühbirnen aufleuchten. Die Yanomami, die zur Krankenstation kamen, staunten fassungslos über diese neuen kleinen Sonnen.
»Dann wollen wir mal«, sagte Bilac. Das Funkeln in seinen Augen war der Ausbruch eines mörderischen Sadismus. In Boa Vista munkelte man zwar über die fatale Veranlagung des Coronels, aber Genaues wußte man nicht und wagte es auch nicht, ihn darauf anzusprechen. Es war nur ein Gerücht: Bilac solle seine Geliebte, ein Mischlingsmädchen von einzigartiger Schönheit, immer mit gespreizten Armen und Beinen auf ein speziell für ihn angefertigtes Bett schnallen und sich an ihr befriedigen, indem er mit einer dünnen Messerklinge die Haut am Unterleib und unter den Brüsten aufschlitze, das hervorquellende Blut ablecke und sich dann wie ein Stier auf sie stürze. Wie gesagt, so erzählte man es sich in den Kreisen der Reichen von Boa Vista. Es konnte ein dummes, gehässiges Geschwätz sein, zumal man Bilac in diesen Kreisen nicht gern sah, sondern eher fürchtete. Aber man hatte ein paarmal seine Geliebte am Swimmingpool gesehen, im Bikini, der nicht immer die vielen Pflasterstreifen verdeckte. Und es waren immer neue Pflaster an verschiedenen Stellen. Die Gerüchte wucherten wie Unkraut. Über eines aber war man sich sicher: Bilac war jede Scheußlichkeit und Perversität zuzutrauen. Die Menschen, die ihn näher kannten, seine Untergebenen, mit denen er unmittelbar zusammenarbeitete, schwiegen eisern. Was manchmal in den Kellern des Polizei-Hauptquartiers geschah, kam nie an die Öffentlichkeit. Man stellte nur fest, daß Verhaftete ab und zu spurlos verschwanden. Sie sind nach Manaus gebracht worden, hieß es bei Rückfragen. Und aus Manaus kam überhaupt keine Antwort mehr.
Drei Stunden später schleppten zwei Polizisten den leblosen Körper des Yanomami aus Bilacs Zimmer. Hände und Füße waren gefesselt, der nackte Leib mit Schnittwunden übersät. Woran der Indio gestorben war, wollte Ribateio gar nicht wissen. Er ließ die Fesseln entfernen und den Leichnam an die Grenze des Dorfes bringen. Dort warf man ihn einfach aus dem Wagen und fuhr zur Polizeistation zurück. In sein persönliches Tagebuch aber notierte Ribateio:
»Er hat einen Yanomami umgebracht, auf grauenhafte Weise. Was ist das für ein Mensch? Ist er überhaupt noch ein Mensch? Kann man so etwas noch Mensch nennen? Wer hat den Mut, ihn dafür zu bestrafen? Wird es der Rote Pfeil sein? Ich flehe ihn geradezu herbei.«
In dieser Nacht betrank sich Bilac bis zur Bewußtlosigkeit. Er erreichte noch nicht mal sein Bett, sondern fiel davor auf den Boden und schlief auf einer Palmfasermatte ein. Sie war der Station von den Yanomami geschenkt worden.
* * *
Aus den Aufzeichnungen des Arztes Dr. Thomas Binder.
Nun bin ich heute in Manaus eingetroffen – ein ganz moderner, weitläufiger Flughafen inmitten der urwäldlichen Natur. Ein Taxi brachte mich zum Hotel, das direkt am Rio Negro liegt und ein wahrer Luxusbau mit einer Ladengalerie ist, in der unter anderem drei Juweliere ihre traumhaft schönen und wertvollen Geschmeide ausstellen. Das Hotel ist voll von Touristen, meistens von Amerikanern und Engländern. Heute sind auch deutsche Landsleute im Hotel, herübergekommen vom Kai von Manaus, wo ein Kreuzfahrtschiff festgemacht hat.
Auf dem Flug von Brasilia nach Manaus lernte ich eine wunderbare Frau kennen. Wenn ich wunderbar sage, so heißt das, daß sie von einer eigenartigen Schönheit ist, nicht hübsch, das würde ihrer Persönlichkeit nicht gerecht, denn Hübschsein kann etwas Oberflächliches sein. Nein, die Schönheit dieser Frau sind ihre blauen Augen, das gelockte blonde Haar, ihr Gang und ihre Stimme, die einen dunklen, weichen Klang hat, als wären ihre Stimmbänder in Samt gebettet. Jeder würde sagen, sie ist ein herber Typ. Der Blick, mit dem sie einen ansieht, wenn sie angesprochen wird, könnte viele Männer sofort abschrecken.
Sie hat mich nicht abgeschreckt. Ich habe sie angesprochen.
In Brasilia stand sie vor mir am Abfertigungsschalter des Airports und nahm ihr Ticket aus ihrem Paß. Es war ein deutscher Paß, und das gab die Gelegenheit für mich, die Initiative zu ergreifen.
»Ah! Eine Landsmännin«, habe ich gesagt. »Auf dem Flug nach Manaus.«
Sie hatte sich nicht umgedreht, um festzustellen, wer sie da ansprach, sondern nur mit ihrer samtenen Stimme geantwortet:
»Ist das so ungewöhnlich?«
»Zumindest ist es nicht alltäglich.«
»Sie
Weitere Kostenlose Bücher