Das Regenwaldkomplott
Siedlungsbehörde INCRA in Zeitungen und Zeitschriften veröffentlicht. Dabei geht es gerade darum, Agrarreform zu verhindern, besonders im Nordosten Brasiliens, wo Großgrundbesitzer immer dafür gesorgt haben, daß keine bodenständige Bauernkultur aufkommt. Heute ist man dabei, die wenigen, die in verlorenen Winkeln trotzdem entstanden sind, zugunsten von Großprojekten, besonders für das › Proálcool !‹-Programm, zu vernichten. Die entwurzelten Menschen wandern entweder in die Slums der Großstädte, oder sie siedeln im Amazonas.
Auch aus den südlichen Staaten Paraná, Santa Catarina und Rio Grande do Sul wandern Siedler nach Rondônia . Hier handelt es sich um Kleinbauern, die durch die Methoden der modernen Landwirtschaft, besonders die Riesenmonokulturen von Soja, direkt oder indirekt vertrieben werden. Auch aus Mato Grosso do Sul und Goiás , wohin erst vor zwei Jahrzehnten Siedler aus den Südstaaten zogen, wandern viele schon wieder aus. Zum Teil entstehen wieder Großbetriebe von mehreren tausend Hektar, wo früher Kleinbauern mit 10 bis 30 ha lebten. Es handelt sich dabei um die Nachkommen der deutschen und italienischen sowie polnischen Einwanderer, die im vorigen Jahrhundert nach Südbrasilien auswanderten.
In Rondônia sieht man heute die vom Staat organisierten großen Siedlungsprojekte und auch wilde Siedler.
Die wilden Siedler siedeln, wie überall in Brasilien, wo noch Wildnis ist, im Bereich der neuen Erschließungsstraßen. Wenn das Land keinen legalen Besitzer hat, kann der Siedler hoffen, von INCRA eine Besitzurkunde ausgestellt zu bekommen, sofern er auf dem von ihm beanspruchten Land ›Verbesserungen‹ ( benfeitorias ) vorweisen kann. Rodung gilt als Verbesserung. Ca. 30 % des Landes muß gerodet sein. Daher haben die wilden Siedler ein Interesse daran, möglichst viel zu roden, weit mehr als sie bebauen können. Manche pflanzen überhaupt nichts. Sie leben von der Landspekulation. Sie gehen von Rodung zu Rodung und verkaufen ihre ›Anrechte‹. Während der Dreharbeiten zu meinem Film mit ITV (Independent TV, London) über die Siedlungspolitik in Rondônia besuchten wir einen brasilianischen Agronomen. Er hatte 150 ha gerodet und Gras gesät, hatte aber kein Geld für Vieh. Er mußte deshalb jedes Jahr das Gras abbrennen, was er selber sehr bedauerte. Er gab freimütig zu, daß er lieber einen Teil der Rodungskosten dafür verwendet hätte, Vieh für eine kleinere Weidefläche zu kaufen. Er erhoffte sich aber von INCRA eine Urkunde für 500 ha, die er später auch bekam. Wie er zu Vieh kommen soll, weiß er noch nicht. Dies ist nur ein kleines Beispiel der Sinnlosigkeit der Politik, die heute in Amazonien betrieben wird.
In den meisten Fällen gelingt es den wilden Siedlern aber nicht, zu Landbesitz zu kommen. Sehr bald kommt der › Jagunço ‹, ein Pistoleiro im Auftrag der Großgrundbesitzer, die sich auf krummen Touren ganz ›legale‹ Papiere für Riesenflächen besorgen. Der Siedler gilt dann als › posseiro ‹, Eindringling (Squatter), und muß gehen oder als Tagelöhner für den Großgrundbesitzer arbeiten. Viele werden auch ermordet. Darüber gibt es keine Statistiken.
Die legalen, organisierten Siedlungen sind ein weiteres Beispiel für eine selbstmörderische Entwicklungspolitik. Die Erschließungsstraßen werden, wenn immer möglich, schnurgerade gelegt, ungeachtet der Topographie und der Wasserläufe. Den Begriff Ökosystem kennt INCRA sowieso nicht. Das Land wird nach einem Schachbrettsystem aufgeteilt, ebenfalls ungeachtet der Landschaft. Die Bauern bekommen schmale Streifen von 25, 50 oder 100 ha. Manche Streifen schneiden die Mäander desselben Baches zwei, drei- oder mehrfach, andere haben überhaupt keinen Zugang zu Wasser. Ebenso kann es passieren, daß der eine ein Hochplateau, eine Felswand und eine tiefe Ebene bekommt, der andere nur Flachland oder nur Felsgeröll. Auch die vorgesehenen Waldreservate werden irgendwo in einer Ecke des Projektes als Drei- oder Vierecke ausgespart, wiederum ungeachtet der natürlichen Gegebenheiten. Für ihren Schutz wird nicht gesorgt. INCRA fühlt sich dafür nicht verantwortlich, IBDG , die Forstbehörde, behauptet, ihr fehlten die Mittel. Das Ergebnis: Die Reservate werden sehr schnell von wilden Siedlern gerodet.
Diese Siedlungen entwurzeln nun die Einheimischen. Die Wälder waren nicht leer von Menschen. Auf die Indianer wird keine Rücksicht genommen. Sie werden meistens schon von den wilden Siedlern ausgerottet,
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