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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die mit den neuen Straßen kommen, oder sie erliegen den Seuchen, die ihnen der weiße Mann bringt und für die sie nicht immun sind. Die Überlebenden werden zu traurigen, durch den Kulturschock total demoralisierten Gestalten. So sagte mir auch einmal ein INCRA -Beamter, vollen Ernstes, die Indianer sind doch Untermenschen ( infra-humanas ). Den wenigen Indianerreservaten ergeht es nicht anders als den kleinen Waldreservaten in den Siedlungsprojekten.
    Die Caboclos , Garimpeiros (Diamanten- und Goldsucher) und die Gummisammler werden von ihrem Land vertrieben, auch wenn sie nach brasilianischem Recht ein Anrecht auf das Land hätten, da sie oft schon Jahrzehnte am selben Ort siedeln. Der Seringueiro kennt aber keinen Begriff für Landbesitz, sondern, wie der Indianer, nur für Territorium. Er hat keine Urkunde. Das Land wird von der Zentralregierung ohne Rücksicht auf diese Menschen verteilt oder verkauft, meistens an Mächtige oder eben an das INCRA . Wenn er Glück hat, bekommt der Seringueiro 25 ha in einer INCRA -Siedlung. Damit kann er nichts anfangen. Meistens verkauft er. Bei über 200 % Inflation im Jahr ist das Geld gleich weg. Er landet im Slum oder als Tagelöhner. Selbständige, menschenwürdige, mit dem Überleben des Waldes kompatible Existenzen werden sinnlos vernichtet.
    Sind nun die Siedlungen das Opfer wert? Es ist ja bekannt, daß unter dem tropischen Regenwald in Amazonien die nährstoffärmsten Böden der Welt liegen. Im Regenwald befinden sich die Nährstoffe fast ausschließlich in der lebenden Biomasse. Der Boden ist entweder reiner Quarzsand oder stark abgebauter Ton ohne Ionenaustauschkapazität. Nur in den seltenen Fällen, wo der Wald auf jüngerem Gestein steht, ist der Boden nährstoffreich. Ich habe Rodungen gesehen, wo schon im ersten Jahr nichts mehr wuchs. Die tropischen Wolkenbrüche schwemmten die Asche weg. Zurück bleibt ein toter Boden ohne Nährstoffe. Kunstdünger ist wegen der hohen Transportkosten unerschwinglich. Die heute von der Industrie geförderten wasserlöslichen Dünger würden sich auch im Boden nicht halten. Sie werden rasch ausgewaschen.
    Man kann überall in Rondônia bereits wieder verlassenes Land sehen. Die Siedler müssen immer weiterziehen, immer neu roden. Bei der heutigen Rodungsrate wird Rondônia schon 1988 total entwaldet sein. Sehr bald sind die Siedler wieder entwurzelt.
    Dabei könnte man im Süden, wo ein Teil dieser Siedler herkommt, auf den nährstoffreichen, tiefgründigen Tonböden, meistens Basaltlithosole , eine gesunde, nachhaltige Landwirtschaft betreiben. In meiner Heimat, in Rio Grande do Sul, in den ehemals reichen Tälern der Caí -, Sinos - und Taquari -Flüsse sieht man heute fast nur verlassenes Land. Fast nur alte Leute sind noch da. Wo früher blühende Äcker zu sehen waren –, die einzige einigermaßen gesunde Bauernkultur Brasiliens – sieht man jetzt hauptsächlich Eukalyptus und Akazienmonokulturen für die Industrie, für Brennholz und Tannin.
    Die Agrarpolitik der EWG hat dazu beigetragen, daß unsere Regierung in den letzten drei Jahrzehnten nur die Sojamonokultur förderte, zu Lasten der Kleinbauern. Außerdem wurden die letzten noch intakten Wälder, besonders im Uruguaytal, fast restlos vernichtet. Der Sojawahn ging so weit, daß die letzten Obstgärten umgelegt, sogar Friedhöfe umgepflügt wurden. Die großen Sojamonokulturen, bis zu Tausenden von ha groß, oft in Händen von Spekulanten, ohne Spur von Bauernkultur, führen zu rücksichtslosem Raubbau am Boden. Unsere Flüsse sind rotbraun, die Fauna wurde durch die sinnlose Giftspritzerei dezimiert.
    So wird im Norden und im Süden Brasiliens die Zukunft zerstört. Auch hier in Europa hat die EWG-Agrarpolitik zur Vernichtung gesunder Bauernkultur geführt. Die in Rondônia wie Pilze aus dem Boden wachsenden Städte entstehen alle an den Verkehrsknotenpunkten oder an Tankstellen. Die gesamte Wirtschaft basiert auf dem Transport mit LKWs. Die einzige Eisenbahn, Madeira– Mamoré , wurde stillgelegt. Der Transport auf dem Wasserweg ist schon fast erlahmt. Im Handel sieht man praktisch keine in der Region produzierten Güter. Alle Konsumwaren, sogar der Salat, die Tomate, das Hähnchen auf dem Tisch im Restaurant, kommen aus dem industriellen Süden. – In Jí Paraná, der am schnellsten wachsenden Stadt Rondônias , steht ein Kraftwerk. Es verbrennt 6.000 Liter Heizöl je Stunde. Dieses Heizöl wird per Lkw über 2.500 km schlechte Straße dorthin gebracht,

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