Das Regenwaldkomplott
verschwunden sein wird. Fearniside ( Deforestation in the Brazilian Amazon: how fast is it occurring ? Philip M. Fearnside , Intersciencia , March-Apr. 1982 vol. 7, No . 2) hat für die verschiedenen Gebiete des Amazonasbeckens Fortschreibungen gemacht, denen er die heutigen Zerstörungsraten zu Grunde legt. Nach diesen Fortschreibungen wären die Staaten Para, Maranhão , Goiás , Rondônia und Mato Grosso Nord sowie Mato Grosso Süd bereits 1990 total entwaldet. In Acre würden einige Wälder bis 2000 überleben. Amazonas und Roraima wären kurz nach dem Jahr 2000 kahl, nur Amapá würde bis zum Jahr 2020 überleben.
Von seiten der Mächtigen wird immer wieder behauptet, die Zerstörung all dieser natürlichen Systeme sei auf die Bevölkerungsexplosion zurückzuführen. Es ginge darum, Boden für die Ernährung der Menschenmassen urbar zu machen. Im brasilianischen tropischen Regenwald ist dies ganz bestimmt nicht der Fall. Das Gegenteil ist der Fall. Die Entwaldung führt meistens dazu, daß es mehr Hunger gibt, daß mehr Menschen entwurzelt werden und verarmen.
Auf den großen Viehzuchtfarmen z.B. wird weit weniger Nahrung produziert, als der intakte Urwald seinen Einwohnern bieten kann in Form von Früchten, Jagd und Fischen. Der Caboclo (Mischling von Indianern und Weißen) pflegt daher zu sagen – wo der Ochse kommt, da müssen wir gehen, da kommt der Hunger. Auf den riesigen Viehfarmen, die bis zu Hunderttausenden von Hektar groß sind und die pro ca. 3.000 Rinder nur einen Mann beschäftigen, liegt die Fleischproduktion in den ersten Jahren bei lächerlichen 30 bis 50 kg/ha/Jahr, dann sackt sie rapide ab (und dabei gibt es keine Milchproduktion). Ein skandalös niedriger Ertrag, wenn man bedenkt, daß im Norden Europas auf den Hektar bis zu 600 kg/ha/Jahr produziert werden, hinzu kommen, auf denselben Hektar, 5.000 bis 7.000 Liter Milchproduktion. Diese Großprojekte sind nur interessant, solange sie subventioniert werden und weil der niedrige Ertrag durch die immensen Flächen ausgeglichen wird. Anscheinend hat unsere Regierung inzwischen hier von ihren Fehlern gelernt. Im Regenwald werden keine Viehprojekte mehr subventioniert, wohl aber weiterhin in Cerrado und in den Übergangswäldern. Da der Cerradowald offiziell nicht als wertvoller Wald angesehen wird, darf dort total abgeholzt werden, während im Regenwald immerhin die Hälfte, laut Gesetz, stehen bleiben sollte. Selbst, wo das Gesetz respektiert wurde, hinderte das die Projektbesitzer nicht daran, die nichtabgeholzte Hälfte zu verkaufen. Der neue Besitzer konnte dann wieder 50 % abholzen.
Weltbekannt für Großprojekte im Amazonas ist das Projeto Jarí des amerikanischen Milliardärs Daniel Ludwig. Dort wurden ca. 100.000 ha Urwald gerodet für den Anbau eines schnellwachsenden Baums aus Asien, Gmelina , um Zellulose herzustellen. Ludwig hat dort eine der größten Zellstoffabriken der Welt aufgestellt, eine schwimmende Fabrik, die er von einem Schlepper gezogen aus Japan zum Amazonas brachte. Gmelina war ein Mißerfolg. Es wurde auf Pinus umgestellt, eine Kiefer aus der karibischen Region . Neben Monokulturen für Zellstoff wurden in den Flußauen riesige Reisplantagen angelegt. Auch für extensive Viehhaltung wurde gerodet. Außerdem wurde im Erzbau großtechnisch Kaolin gefördert.
Dieses Großprojekt ist ein gutes Beispiel für die ideologischen Gründe der Zerstörungen, die von der modernen Industriegesellschaft ausgehen. Man muß sich doch fragen, was treibt einen Mann wie Ludwig, Multimilliardär, über 80 Jahre alt, keine Erben, dazu, im Amazonasgebiet zu versuchen, sein Geld noch weiter zu vermehren, ohne Rücksicht auf die dort existierenden Ökosysteme und die darin lebenden Menschen. Eines der Grunddogmen der modernen Industriegesellschaft lautet: Geld muß immer wachsen. Sobald ein gewisses Kapital entstanden ist, muß es vermehrt werden. Es wird nach immer neuen Anlagemöglichkeiten gesucht.
Noch unberührte Flecken Erde und die darin lebenden Menschen, die sich dieser Dogmatik noch nicht verschrieben haben, gelten als rückständig. Sie müssen ›entwickelt‹ werden. Wenn sie nicht mitmachen, müssen sie weichen.
Was sich heute im brasilianischen tropischen Regenwald abspielt, ist eine neue Form des Kolonialismus. Man mag es Endokolonialismus nennen, weil er sich hauptsächlich innerhalb der Grenze einer politischen Einheit abspielt, wenn auch ein großer Teil des Impulses von außerhalb kommt. Es geht darum, daß
Weitere Kostenlose Bücher