Das Regenwaldkomplott
Es darf auch ganz woanders, z.B. im Cerrado , eine entsprechend große Eukalyptusmonokultur angelegt werden.
Diese Arbeit wird von Spezialfirmen besorgt, die dafür meistens andere, noch intakte Ökosysteme vernichten. Diese ›Wiederaufforstung‹ wird vom Staat subventioniert. Sie kostet somit die Sägewerke nichts. Es sind dieselben Firmen, die während der letzten dreißig Jahre im Süden die Araukarienwälder abgebaut haben. Nun sollen auch noch die multinationalen Holzfirmen kommen, die den Regenwald im Fernen Osten und in Afrika schon fast total vernichtet haben.
Für die ›Verantwortlichen‹ in unserer Regierung ist der Regenwald im Amazonas nur eine Ressource, die man zu Devisen machen kann und muß. Von einem hörte ich mal den Ausdruck – der Amazonas ist eine immense grüne Verschmutzung ( poluição verde ). Andere sagen, es sei eine enorme grüne Wüste, wieder andere rechnen genau vor, wieviel Devisen das Holz bringen kann. Diese Einstellung entspricht genau der Grundphilosophie der modernen Industriegesellschaft, die in der Natur, ob es sich um Lebewesen oder totes Gestein handelt, nur verwertbares Material für wirtschaftliches Wachstum sieht. Diese Philosophie hat von Europa aus die Welt erobert. Als ich vor wenigen Tagen die große Kölner Mülldeponie besuchte, wurde mir erst richtig bewußt, wie sehr diese Industriegesellschaft eine Vernichtungsgesellschaft ist.
Ein wichtiger Aspekt muß noch erwähnt werden: das Klima. Bevor die Hälfte des Waldes zerstört ist, könnte der Rest zusammenbrechen. Wie SALATI (Universität Piracicaba) gezeigt hat, macht der Regenwald sein eigenes Klima. Ca. 50 % des Regenwassers wird über die Verdunstung an die Atmosphäre zurückgegeben. Der Regen, der auf die Osthänge der Anden fällt, besteht aus Wasser, das auf dem Wege vom Atlantik fünf- bis siebenmal gefallen und wieder verdunstet ist. Sollte der Staat Para, an der Amazonasmündung, total entwaldet werden, könnte dieser wiederholte Kreislauf unterbrochen werden. Im Gegensatz zu den Savannenwäldern mit ihren tiefen Wurzeln haben die Bäume im Regenwald sehr flache Wurzeln, da sie ja die mit den toten Blättern herunterrieselnden Nährstoffe sofort auffangen müssen. Der Regenwald könnte ein trockeneres Klima nicht überleben. In der Umgebung der größeren Städte, Belém und Manaus, wo viel abgeholzt wurde, treten starke warme Aufwinde anstelle der Evapotranspiration , regnet es bereits weniger. Dort kann man bereits ein anderes Phänomen beobachten, das für die Regenwaldgebiete eigentlich untypisch ist – Buschfeuer. Sie dringen auch schon in angrenzende Wälder ein. Der erste Brand zerstört nur Unterholz. Mit jedem neuen Feuer wird der Schaden schlimmer. Bei der brasilianischen Pyromanie wäre ein trockener Amazonaswald in wenigen Jahren vom Feuer verwüstet. Sollte aber die 5.000.000 km ² große Wasserverdunstungsmaschine oder ein großer Teil davon durch trockene Gestrüpplandschaft mit heißen Aufwinden ersetzt werden, dann hat das bestimmt Auswirkungen auf das Weltklima. Der Amazonasregenwald erstreckt sich über beide Halbkugeln.
Auch nur geringe Klimaverschiebungen oder Unregelmäßigkeiten werden sich hier in Europa, in den gemäßigten und in den subtropischen Regionen, viel unangenehmer bemerkbar machen als am Äquator selbst. Während der Eiszeiten waren die Temperaturen am Äquator nicht anders, der tropische Streifen war aber schmaler, Subtropen und gemäßigte Klimazonen rückten dem Äquator näher. In den Zwischeneiszeiten rückten sie davon ab. Geringe Verschiebungen machen also hier weit mehr aus wie dort. Unsichere Ernten bedeuten aber für eine Menschheit von jetzt 4,8 Milliarden unvorstellbare Katastrophen.
Was sich im Amazonasgebiet heute abspielt, muß die Europäer, Amerikaner, Japaner genauso interessieren wie uns in Brasilien. Unser aller Schicksal hängt davon ab. In der dritten Welt wird sich aber nichts ändern, wenn sich in den Industrieländern nichts ändert. Hier muß eine neue Philosophie die wirtschaftlichen und politischen Entscheidungen bestimmen. Von hier muß die geistige Revolution ausgehen, die zur Umkehr führt.
José A. Lutzenberger
Jacintho Gumes 39,
90 000 Porto Alegre, R.S. Brasilien
Luise hatte lange an dem Artikel gelesen. Es war die ausführlichste und eindringlichste Anklage, die bisher geschrieben worden war. Lutzenberger sprach aus, was die Regierung und die Politiker verschwiegen oder beschönigt hatten. Es waren Wahrheiten, die jedem
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