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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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unter die Haut gehen mußten.
    Vorsichtig legte sie die Blätter zurück auf den Tisch und sah Pater Vincence an. Er hatte schweigend und geduldig gewartet, bis sie zu Ende gelesen hatte.
    »Vincence«, sagte sie. »Wir sollten mit Dr. Lutzenberger Verbindung aufnehmen. Er muß von dem Schicksal von Santo Antônio hören. Vielleicht kann er uns helfen. Unsere Mission ist doch ein Musterbeispiel dafür, wie Kritiker auf ganz legale, raffinierte Weise mundtot gemacht werden. Wenn er über uns schreibt –«
    »Noch hat er keine Macht, uns zu helfen. Vielleicht in zwei Jahren. Aber wer weiß, was dann aus uns geworden ist? Dieser Artikel wurde bereits 1984 geschrieben. Heute erst – vier Jahre später – begreift man, daß alle seine Zukunftsvisionen keine idealistischen Spinnereien waren, sondern von der Wirklichkeit noch übertroffen worden sind. Auch Julio Maputo wird jetzt erst ernst genommen, nachdem man ihn früher einen beleidigten, arbeitslosen Seringueiro genannt hat. Alles, Luise, braucht seine Zeit. Der Mensch ist träge, vor allem mit seinem Gewissen. Wenn heute jemand die Geschichte von Santo Antônio lesen würde, dann käme sie ihm wie eine spannende Erzählung aus dem Urwald am Rio Parima vor. Eine Abenteuergeschichte, weiter nichts. Daß wahre menschliche Schicksale dahinterstehen – darauf wird er nicht kommen. Für ihn ist alles viel zu exotisch, um wahr zu sein. Es gibt zu viele Assis' und Lobos', die mit ihrem Geld heimlich regieren. Auch die FUNAI wird von ihnen beeinflußt. Sieh dir nur Arlindo Beja an. Wir können nur warten. Wir müssen Geduld haben. Unsere Stimme ist zu schwach. Andere werden für uns reden und einmal gewinnen.«
    Auf den heimlichen Pisten im Regenwald landeten immer neue Garimpeiros. In Novo Lapuna wurde ein neues Stadtviertel gebaut, und die Einwohnerzahl stieg auf 60.000. Die Claims fraßen sich immer mehr in den Wald hinein, in das Yanomami-Gebiet. Die Holzfällerkolonnen von Paulo Lobos arbeiteten im Rekord, überall kreischten die Kettensägen, loderten die Brände und füllten den Nachthimmel mit ihrem Feuerschein.
    Dreimal wechselte man die besoffenen Ärzte in Novo Lapuna aus, aber die neuen Ärzte waren nicht besser und soffen auch wie Elefanten. Helenas Drugstore ›Zum Daumen‹ konnte den Kundenandrang kaum mehr bewältigen. Man stand Schlange vor dem Laden, obwohl vier neue Drugstores eröffnet worden waren. Die Polizei wurde auf 110 Mann verstärkt – 110 schlecht ausgerüstete Polizisten für 60.000 wilde und nahezu gesetzlose Garimpeiros.
    Leonor verließ kaum noch das Haus. Sie tanzte nicht mehr in der Disko, und sie traf sich nicht mehr mit ihren Freundinnen. Meistens saß sie im Zimmer, las in den Illustrierten, die mit den Versorgungsflugzeugen aus Boa Vista kamen, stickte an einer großen Tischdecke aus Leinen und sagte eines Abends zu Helena:
    »Mama, ich will hier nicht mehr leben. Laß uns wegziehen. Irgendwohin, nur weg von dieser schrecklichen Stadt.«
    Und auch Benjamim Bento gestand ihr eines Tages: »Lena, ich habe es satt. Ich beginne, mein Camp zu hassen. Das ist schlimm, das frißt an der Seele. Wir sollten wirklich woanders unser Leben fortsetzen.«
    »Wo denn, Mimo? Hier habe ich meinen Drugstore, hier können wir reich werden. Noch drei oder vier Jahre, dann haben wir soviel Geld, daß uns die hochnäsigen Bankdirektoren in Boa Vista eigenhändig die Tür aufreißen, wenn wir kommen.«
    »Wir können woanders ein Kaufhaus aufmachen, größer, schöner, mit einer besseren Kundschaft. Vielleicht in Manaus.«
    »Ausgerechnet Manaus! Da kommen die feinen Damen und wühlen in den Tischen herum und gehen wieder weg, und ich kann hinterher alles wieder aufräumen und ordnen. Hier sage ich zu den Burschen: ›Die Unterhose paßt! Schluß! Was, sie ist zu weit im Schritt? Das kommt nur davon, weil er dir hängt!‹ Und sie kaufen die Unterhose, lachen und rufen: ›Helena, du bist ein Luder! Dich möchten wir mal drunterhaben!‹ Und ich antworte: ›Was? Du? Wo dir diese kleine Hose schon zu weit ist? Soll ich erst mit 'nem Vergrößerungsglas suchen?‹ Und dann kaufen sie jeder noch 'ne Flasche Schnaps und sind zufrieden. Und haben Geld oder Goldstaub gebracht. Mimo, Manaus würde eine Pleite werden.«
    Sie war die alte Helena Batalha geblieben, die Tochter einer Putzfrau und Gelegenheitshure. Bento hatte es aufgegeben, ihr eine feinere Ausdrucksweise beizubringen. Doch für ihn war sie eine Frau, wie es keine zweite gab.
    »Man sollte es

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