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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ein Mann in einer kurzen Hose und einem Khakihemd wartete auf dem Platz. Hinter ihm standen vier Indios, sicherlich zum Kofferschleppen. In der Tür des ›Krankenhauses‹ erschien ein anderer, weißhaariger Mann und sah zu uns herüber. Ich erkannte die beiden sofort, ich hatte genug Fotos von ihnen gesehen: Pater Vincence Martinelli und Pater Ernesto.
    Vincence stand am Flugzeug, als wir die Tür öffneten und herauskletterten.
    »Willkommen«, sagte er auf deutsch, und dann auf portugiesisch: »Santo Antônio begrüßt Sie mit einem ›Vergelt's Gott‹, daß Sie zu uns gekommen sind.«
    Nun war auch Pater Ernesto am Flugzeug und schüttelte uns die Hände. Er trug ein ausgebleichtes Baumwollhemd, das früher mal gelb gewesen war, und Blue Jeans, die an den Knien geflickt waren. Wer ihn nicht kannte, hielt ihn keineswegs für einen Priester, sondern für einen alten, von der Sonne gegerbten Landarbeiter.
    »Nun sind wir da«, sagte ich und legte den Arm um Luises Schultern. »Wir werden hier zusammenleben auf Gedeih oder Verderben.«
    Und sie antwortete und legte ihren Kopf an meine Schulter:
    »Wir haben noch viel vor uns, Tom. Und jetzt habe ich sogar ein bißchen Angst.«
    »Ich bin bei Ihnen«, sagte ich und streichelte dabei ihre Wange. »Sie brauchen keine Angst zu haben. Ich bin immer für sie da.«
    Pater Ernesto lächelte – verstehend und weise.
    Die Indios hatten Toms und Luises Koffer in das Krankenhaus und das Gästehaus getragen. Dr. Binders Zimmer war ein ziemlich großer, aber noch kahler Raum, in dem nur ein Bett, ein Schrank, ein wackliger Tisch und drei Stühle standen. Unter der Decke drehten sich knisternd die Propeller eines großen Ventilators. Er brachte kaum Kühlung, wirbelte nur die heiße Luft umeinander.
    Neben dem Zimmer lag ein kleiner Duschraum mit Handwaschbecken und dem WC. Da das Wasser vom Rio Parima über den Wasserturm gepumpt wurde, besaß die Mission den Luxus von fließendem Wasser. Allerdings nur kalt, doch wer duscht schon mit warmem Wasser, wenn es draußen über vierzig Grad heiß ist, bei 95 Prozent Luftfeuchtigkeit?
    Thomas tat als erstes, worauf er sich schon seit Manaus gefreut hatte: Er stellte sich unter die Brause und genoß das herrliche Gefühl der Abkühlung. Zwanzig Meter von ihm entfernt tat Luise das gleiche. Sie hatte zwei Zimmer im Gästehaus der Mission zugeteilt bekommen, eines zum Wohnen und eines für die Einrichtung eines Labors. Die Grundausstattung des Laboratoriums war schon eine Woche vor ihr in San Antônio eingetroffen. Sieben große Kisten, so schwer, daß der Pilot des kleinen Fliegers nach der Landung sagte:
    »Das sind an Gewicht gut und gern zehn Mann. Was habt ihr bloß da drin?«
    »Geräucherte Schinken aus Parma«, hatte Pater Ernesto geantwortet. »So sind wir Italiener eben: Ohne unseren Parmaschinken können wir nicht leben.«
    Der Pilot knurrte darauf etwas Respektloses vor dem geweihten Mann und fragte nicht weiter.
    Thomas räumte seine Koffer aus, hängte die drei Anzüge und vier Hosen in den Schrank und legte die Wäsche vorerst auf das Bett. Die Schuhe, darunter ein Paar derbe Halbstiefel aus dickem Leder, das nicht einmal ein Messer durchdringen konnte, stellte er an die Wand. Er nannte sie ›meine Schlangenstiefel‹ – kein Giftzahn würde hindurchbeißen können.
    Am Abend saßen sie alle an dem großen Tisch im Haupthaus. Zwei Indios trugen Schüsseln mit Kartoffeln, Blumenkohl, Ziegenbraten und eine Riesenschale mit frischem Obst herein; dazu trank man Wasser, versetzt mit dem Saft der Maracuja. Die Köchin, Sr. Lucia, bedankte sich mit einem lächelnden Kopfnicken, als Thomas applaudierte.
    »Das ist ja fast ein Festessen!« rief er. »Ich bin überwältigt.«
    »Haben Sie gedacht, wir knabbern hier nur Wurzeln?« Pater Vincence faltete die Hände. »Lasset uns Gott danken, daß Er uns ein so gutes Leben schenkt.«
    Nach dem Tischgebet aßen sie, zunächst wortlos, bis Pater Ernesto sagte:
    »Sie kommen einen Tag zu spät, Dr. Binder. Gestern hätten Sie erleben können, was in diesem Land möglich ist. Der Polizeichef von Boa Vista war hier und hat eigenhändig einen Yanomami zu Tode gequält. Auf bestialische Weise.«
    Dr. Binder legte sein Besteck auf seinen Teller und starrte Ernesto verständnislos an. »Und das haben Sie zugelassen?« fragte er.
    »Gegen Coronel Bilac kann man sich nicht wehren.«
    »Hat er soviel Macht?«
    »Miguel Bilac ist der ungekrönte König von Boa Vista und ganz Roraima. Nach außen

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