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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zögerte einen Augenblick, als wollte er noch etwas sagen, aber dann hob er nur die Hand, winkte ihr kurz zu und verließ den Raum. Luise blieb auf ihrer Kiste sitzen, bis die Tür hinter ihm zugefallen war.
    »Ich liebe dich«, sagte sie leise. »Tom, ich bin sicher, ich liebe dich – aber ich brauche mehr Zeit. Versteh das doch, ich kann einfach nicht anders.«
    Nach dem Mittagessen, als alle Missionsmitglieder noch um den langen Tisch versammelt saßen und die Neuigkeiten des Tages durchsprachen, fragte Thomas, ob er sich eines der Aluminiumboote nehmen dürfe. Pater Vincence hatte nichts dagegen.
    »Wo wollen Sie hin?« erkundigte er sich. »Flußaufwärts oder -abwärts?«
    »Wo ist es am schönsten?«
    »Es ist überall schön, Thomas. Abwärts kommen Sie nach sieben Kilometern an eine Stromschnelle, aber sie ist harmlos, aufwärts stoßen Sie nach neun Kilometern auf die ersten Baggerschiffe, riesige Monster, die den Flußsand hochschaufeln, aus dem dann das Gold gewaschen wird. Sie heißen auf portugiesisch Draga, aber die Indianer nennen sie dragão. Das heißt Drache. Und so sehen sie auch aus. Drachen, die den Flußboden leer fressen.«
    »Wir werden den Fluß hinauffahren. Das muß ich mir ansehen.«
    »Wir?«
    »Luise fährt mit.« Er dachte daran, daß er sie vermißte. Sie hatte das Mittagessen ausfallen lassen, um noch weiter auszupacken.
    »Sie sollten Waffen mitnehmen, Tom. Mindestens ein Gewehr und eine Pistole. Kann Luise mit Waffen umgehen?«
    »Ich weiß es nicht. Wer fragt eine Frau danach?«
    »Hier gibt es keinen Unterschied von Mann und Frau. Hier gibt es nur Feinde oder Freunde. Unsere Missionsboote kennt zwar jeder am Fluß – trotzdem, ein Gewehr kann nicht schaden.«
    »Wer sollte ein Interesse haben, uns anzugreifen?«
    »Sie nicht, aber die weiße Farbe Ihrer Haut. Am Rio Parima wird nach dem Einfall von über 60.000 Weißen nichts mehr gehaßt als eine weiße Haut.«
    »Aber bisher ist noch kein Weißer aus dem Hinterhalt von den Yanomami erschossen worden.«
    »Es gibt immer ein erstes Mal. Camilo Ramos' Tod hat sich schnell herumgesprochen, und daß es der ›Rote Pfeil‹ war, verstärkt die Freude der Indios gewaltig. Wie die Garimpeiros reagieren, wissen wir noch nicht. Auf keinen Fall nehmen sie den Mord an einem ihrer Bosse ruhig hin. Es herrscht Alarmstimmung. Außerdem ist in Novo Lapuna Emilio Carmona eingetroffen. Das ist die neueste Meldung aus dem Camp.«
    »Wer ist Carmona?«
    »Wenn wir das wüßten. Offiziell tritt er als Bevollmächtigter einer Goldankaufgesellschaft auf. Die Claimbesitzer müssen ja ihr Gold zu Geld machen, sie wollen gute Dollars sehen. Dafür ist Carmona zuständig.«
    »Ein Italiener?«
    »Ein Italo-Amerikaner. Er hat sein Büro in Manaus. Ein unscheinbares, schmutziges Haus in der Altstadt. Aber durch dieses Haus fließen Millionen. Ich bin auch Italiener, und ich denke mir etwas dabei.«
    »Das ist doch nicht möglich.« Thomas sah Pater Vincence ungläubig an. »Hier? Am Amazonas? Hier soll auch die Mafia sein?«
    »Sie ist überall, wo das große Geld gemacht wird. Länder und Grenzen spielen da keine Rolle. Die Minen- und Großgrundbesitzer, es sind in unserem Gebiet zwanzig, sind zwar die großen Herren, sind Millionäre, die Spitzen der Gesellschaft, wie man so sagt, aber selbst sie sind, wenn es um ihr geschürftes Gold geht, abhängig von Emilio Carmona. Ohne ihn läuft in den Minen nichts. Das hat er bewiesen, als er vor vier Monaten sechs Garimpeiros regelrecht hinrichten ließ, mit einem Genickschuß. Ihr Vergehen: Sie hatten jeder vier bis sechs Gramm Gold in die eigene Tasche gesteckt. Sechs Gramm Gold für ein Menschenleben – wenn das nicht nach Mafia riecht. Nichts bestraft die Mafia härter als Untreue oder Verrat.«
    »Alle wissen es, und keiner tut etwas dagegen?«
    »Der Arm der Mafia reicht bis in die höchsten Kreise. Da heißt es nur mitmachen oder sterben. Und wer stirbt schon gern für die Moral?«
    »Carmona ist jetzt in Novo Lapuna?«
    »Ein Funkspruch hat uns davon unterrichtet. Wir haben natürlich Vertrauensleute im Camp.«
    »Ich werde in den nächsten Tagen nach Novo Lapuna fahren«, sagte Thomas entschlossen. »Ich habe noch nie einen Mafia-Boß gesehen. Das lasse ich mir nicht entgehen.«
    »Nicht nötig, Tom.« Vincence verzog den Mund; war's ein Lächeln oder ein hilfloses Grinsen. »Auf dem Rückweg besucht Carmona stets die Mission und bleibt hier zwei Tage. Sie haben genug Gelegenheit, mit ihm zu

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