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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sprechen. Seien Sie nicht enttäuscht – Carmona ist keine finstere Gestalt, wie man sie immer im Film sieht. Er betet mit uns, besucht unseren Gottesdienst und hat schon viel für die Mission gestiftet. Das Geld zum Bau der Krankenstation stammt größtenteils von ihm. Ja, so ist das hier, Tom. Sie werden sich an vieles gewöhnen müssen. Am Rio Parima gelten andere Gesetze als jenseits der Wälder.«
    Luise wartete bereits am Ufer des Flusses neben dem an Land gezogenen Aluminiumboot. Sie trug ihre hautengen Jeans, die sie in robuste kurze Stiefel mit einer starken Profilsohle gesteckt hatte, und eine blaue Bluse. In der Hand hielt sie einen breitkrempigen Hut aus Strohgeflecht.
    »Was soll denn das?« fragte sie und zeigte auf das Gewehr und die beiden Pistolen in Thomas' Gürtel. »Ich denke, wir machen eine Bootsfahrt?«
    »Kannst du schießen?«
    »Ja.«
    »Wirklich?« Er sah sie erstaunt an. »Mit einer richtigen Pistole?«
    »Eine Spielzeugpistole war es jedenfalls nicht.« Sie legte die Hand auf das Gewehr und fragte: »Wozu brauchen wir Waffen?«
    »Pater Vincence ist der Ansicht, daß keiner die Mission ohne Waffen verlassen soll. Der lautlose Krieg zwischen den Rodungskolonnen, den Goldsuchern und den Indios ist wieder ausgebrochen. Auf der ganzen Welt, in allen Zeitungen liest man jetzt vom Mord an Camilo Ramos. Die Fernsehsender – das hat Pater Martinelli gehört – bringen Berichte über Ramos' Leben, zeigen die weinende Witwe, die weinenden Kinder, den Sarg, und dazwischen eingeblendet Bilder von Indios, ihren Dörfern, ihren Kriegstänzen, ihren bemalten nackten Körpern, ihren Waffen und den Blasrohren mit den vergifteten Pfeilen, und das alles ist so raffiniert gemischt, daß Ramos zu einem Märtyrer wird und die Indios zu mordenden Bestien. Der edle Ramos. Und jetzt ist auch noch Emilio Carmona in Novo Lapuna eingetroffen, der Mafia-Boß der Garimpeiros.«
    »Und was bedeutet das?« Luise nahm die Pistole, die Thomas ihr reichte. Sie steckte sie in den Bund ihrer Jeans und sah jetzt so aus, wie man mutige und draufgängerische Frauen in Abenteuerfilmen darzustellen pflegt.
    »Das werden wir in Kürze erleben. Yanomami mit Pfeilen und Speeren gegen Maschinenpistolen und Handgranaten. Und wir stecken mittendrin.«
    Sie schoben das Aluminiumboot vom Ufersand in den Fluß, sprangen hinein, ließen sich ein paar Meter treiben, bevor Thomas den Außenbordmotor anwarf, und fuhren dann in die Mitte des Rio Parima. Links von ihnen reichte der Urwald bis zum Wasser. Im Astgewirr der über dem Fluß hängenden Mangroven begannen die Affen zu schreien, Trompetenvögel kreischten, vom Motorenlärm aufgeschreckt stießen drei große Truthahngeier in den Himmel, und ein Riesentukan blickte von einem in den Fluß ragenden Ast zu ihnen herüber. Sein langer, dicker, gebogener Schnabel glänzte in der Sonne.
    Sie fuhren den Rio Parima hinauf, entdeckten eine kleine Bucht, steuerten sie an und waren nun umgeben von Mangroven, Riesenfarnen und mächtigen, vierzig Meter hohen Bäumen. Brettwurzeln stützten die dicken Stämme, deren breite, aufgefächerte Kronen Blätter von sechs Quadratmetern Größe aufwiesen. Ein lebendes, grünes Dach, in denen Auerstachler und Kapuzineraffen leben, Braunrücken-Tamarins und der Wickelbär, der ausschließlich in den Baumkronen zu Hause ist. Von allen Seiten hörten sie Kreischen, Schreien und Flattern – Warnlaute für alle Tiere in dem Gewirr der Äste und Lianen, der Waldfarne und Würgefeigen.
    Als Thomas den Motor abstellte, flogen vom Ufer zwei weiße Reiher auf, und kleine, buntschillernde, blitzschnelle Vögel flitzten über das Wasser und verschwanden in dem Astgewirr.
    »Kolibris«, sagte Luise und lauschte dem leisen Surren, das diese Vögel erzeugten. »Sie sind eine der interessantesten Vogelarten. Weißt du, daß es hier in Amazonien 350 verschiedene Kolibriarten gibt? Dreihundertfünfzig, die wir kennen. Wieviel unbekannte Arten im noch nicht erforschten Regenwald leben, weiß keiner. Zehntausend verschiedene Orchideenarten gibt es und einhundertvierzigtausend unterschiedliche Schmetterlingsarten, Millionen von Tieren und Pflanzen, die wir noch nicht kennen.«
    »Und um einige zu finden und zu benennen, bist du in die sogenannte grüne Hölle gekommen.«
    »Ja. Aber es ist keine Hölle, es wäre ein Paradies, wenn der Mensch den Wald in Ruhe ließe. Jeden Tag vernichtet er über hundert Tier- und Pflanzenarten … jeden Tag, Tom! Arten, die es nie wieder geben

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