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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einzuziehen. Deshalb lassen Sie mich den Brief lesen, Doktor.«
    »Versprochen, Pater. Aber bitte, wir haben ausgemacht, ich heiße Thomas oder Tom.«
    »Auf portugiesisch: Tomás. Und sagen Sie Ernesto zu mir.«
    »In Ordnung, Ernesto.«
    »Sie wollen also wirklich operieren?«
    »Ich muß erst sehen, was für Instrumente Sie haben. Ich befürchte, daß ich bis zum Eintreffen meiner Kisten warten muß.«
    »Und der Indio?«
    »Er muß auch warten. Sie haben doch ein starkes Schmerzmittel hier?«
    »Ja. Unsere Apotheke ist erstaunlich gut sortiert. Ohne sie könnten wir hier gar nichts ausrichten. Ich vermute, Beja schickt uns so viel Mittel, um ein Alibi zu haben, wenn einmal unverhofft eine Kontrollkommission bei uns auftaucht. Seht, so sorgt die FUNAI für ihre Indianer. Nichts fehlt ihnen. Sie sind gesünder als je zuvor. Und die Welt glaubt es. Von der schleichenden Ausrottung der Indios spricht niemand. Warum auch? Wenn irgendwo auf einem Flecken Erde, den kaum jemand kennt, 250 Yanomami sterben oder vier oder fünf von den Goldgräbern getötet werden, wer spricht schon darüber? In Äthiopien und im Sudan verhungern über zwei Millionen Frauen, Kinder und Greise, in Kalkutta liegen die Toten auf den Straßen, in Bangladesch haben Überschwemmungen das Land für über 500.000 Menschen zerstört – das sind Zahlen, die durch alle Medien verbreitet werden. Was sind dagegen 250 Yanomami? In der Welt gibt es andere Probleme. 250 Indianer. Wißt ihr, wieviel Menschen jährlich auf den Straßen sterben durch Autounfälle? Das ist alarmierend, darum sollte man sich kümmern. Und die steigende Zahl der Krebstoten und der Herzinfarkte. Kommt uns nicht mit euren 250 Indianern. Das ist doch lächerlich.«
    Pater Ernesto wischte sich wieder über das Gesicht und seufzte laut. Thomas erhob sich von der Bettkante. Der Yanomami starrte ihn fragend und ängstlich an.
    »Das klingt bitter«, sagte Tom.
    »Die Wahrheit ist meistens bitter, gallbitter. Eine Säure. Die satten Menschen im reichen Europa sehen sich einen Fernsehfilm über das Sterben der Yanomami wie einen lahmen Krimi an oder wie einen exotischen Film aus fernen Ländern, wenn sie ihn überhaupt ansehen. Na ja, das Elend der armen Indianer. Sollen mal vernünftig arbeiten, die Kerle, dann ginge es ihnen besser, werden sie sagen. So ist es doch, Thomas.«
    »Es wird sich bald ändern. Die Berichte aus dem Regenwald mehren sich. Es wird das große Thema der nächsten Jahre sein, vor allem bei der Jugend.«
    »Und wer hilft? Die Weltbank, die großen nationalen Banken, Industriekonzerne, multilaterale Interessengruppen pumpen Milliarden Gelder in die sogenannte Zukunft: in Staudämme, Eisenhütten, Aluminiumwerke, Zinngruben, Holzfabriken. Gigantische Projekte, hineingebrannt und hineingeschlagen in den Regenwald und das Leben der Indios. Zukunft durch Vernichtung. Ist das Logik? Ja, die Logik des Kapitals! Auch ihr Deutschen habt da mitgemacht. Das VW-Brasil-Werk, um nur eins zu nennen. Wissen Sie, wieviel Tausende von Hektar für VW abgeholzt und abgebrannt wurden, nicht allein für die Produktion von Autos, sondern um riesige Weideflächen für die Rinder zu schaffen? Ich kann Ihnen jetzt die Zahlen nicht nennen, ich sage sie Ihnen heute abend. Da können hunderte Berichte in Ihren Zeitungen stehen oder über den Bildschirm flimmern – es ändert sich nichts. Gar nichts! Wir werden nur als Querulanten abgestempelt, als blinde Eiferer, als realitätsfremde Idealisten.« Pater Ernesto atmete tief durch. »Himmel, soviel habe ich in den letzten Jahren nicht auf einmal gesprochen. Aber es tut gut, sich das alles einmal von der Seele zu reden.«
    Der äußere Zustand des Hospitals war gut, das sah Thomas bei seinem ersten Rundgang sofort. Nur die Einrichtung war reichlich primitiv, es fehlte eigentlich an allem: von einem leistungsfähigen Mikroskop bis zu einem wirkungsvollen Sterilisator. Die Laboreinrichtung war geradezu lächerlich, dafür war die Apotheke, Pater Ernesto hatte recht, umfangreich, genauso wie das Verbandmaterial und die Kästen mit den Einwegspritzen. Nur fehlte es an Injektionsampullen der wichtigsten Medikamente. Infusionsflaschen waren überhaupt nicht vorhanden, und das ›chirurgische Besteck‹ war reif für den Müll.
    Nach dem Hospital besuchte Thomas die Polizeistation.
    Geraldo Ribateio saß allein in seinem Dienstzimmer und blätterte gelangweilt in einer Illustrierten, die das Flugzeug aus Boa Vista mitgebracht hatte. Bei der

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