Das Regenwaldkomplott
ein paar Minuten zurück, ohne Pfeffer, aber mit einer gehetzten Miene.
»Nichts mit Mittagessen«, rief er leise. Seine Stimme flatterte vom schnellen Lauf. »Ich habe Spuren entdeckt. Hier gibt es Indios!« Er griff nach seinem Gewehr und holte die Pistole aus dem Gürtel. »So schnell machen sie aus mir keinen Schrumpfkopf.«
Marco Minho blieb neben der glühenden Asche sitzen und wendete mit dem Messer die garenden Fischstücke. Er zog sein Gewehr nicht zu sich heran. »Wenn das stimmt«, sagte er mit einer Ruhe, die Gilberto aufregte, »und sie wollten uns töten, dann hätten sie es längst mit ihren Pfeilen oder Blasrohren voller Gift getan. Ein lautloser Tod. Ich nehme an, daß uns die Indianer die ganze Zeit über beobachten. Wir sehen sie nicht, sie sind Meister der Tarnung, passen sich dem Wald an wie die Tiere, aber sie sind da.«
»Und wie sie da sind«, knirschte Gilberto. »Im nassen Uferboden habe ich ein paar Fußabdrücke entdeckt.« Er legte sein Gewehr nicht aus der Hand. »Sollen wir uns abschießen lassen wie ein Wasserschwein?«
»Haben Sie einen anderen Vorschlag? Flüchten? Wohin denn? Auf einen Baum? Das wäre doch lächerlich. Wir kämen keine zwei Meter hoch, dann hätten wir einen Pfeil im Rücken. Wir essen unseren Fisch und warten, was passiert.«
»Ich kriege keinen Bissen runter. Er wird mir im Hals steckenbleiben. Wie können Sie noch Hunger haben?«
»Und was für einen. Ich freue mich auf den Fisch.«
Gilberto setzte sich neben Marco auf den Boden, den Blick zum Ufer gewandt, wo er die Fußspuren entdeckt hatte. Minho rollte den Fisch aus den großen, nun verschmorten Blättern und beugte sich über die Stücke. Es roch gar nicht nach Fisch, und das Filetstück sah aus wie das helle Fleisch eines Kalbs oder einer Pute. Er holte eine Messerspitze voll heraus und kostete den Fisch.
»Köstlich. Es fehlt nur das Gewürz. Aber wenn man bedenkt, daß die Japaner gern ganz rohen Fisch essen –«
»Da sind sie«, knurrte Gilberto und umklammerte sein Gewehr.
»Wo?«
»Hinter den Mangroven. Ein ganzer Trupp. Da, rechts neben dem toten Stamm im Wasser, Senhor.«
Nun sah auch Marco die Indianer. Braune, glänzende, nackte Körper, mittelgroß, muskulös. Gesichter, die nicht an die Steinzeit erinnerten; die Haare, wie bei allen Amazonas-Indianern, wie eine Tonsur geschnitten. Schöne Köpfe mit großen, braunen Augen. Ein paar von ihnen hatten die Ohrläppchen durchbohrt und eine bunte Vogelfeder hindurchgesteckt. Lautlos kamen sie näher, immer Deckung suchend hinter den dicken Mangrovenarmen; Bogen in den Händen und Pfeile in einem geflochtenen Köcher auf dem Rücken oder vor der Brust. Einige trugen Bambusspeere, in deren Spitzen Widerhaken geschnitzt waren, die beim Herausreißen große, zerfetzte Wunden hinterließen.
»Ich sehe sie, Gilberto«, sagte Marco und blieb sitzen. »Wenn Sie jetzt schießen, ist das die größte und vor allem eine tödliche Dummheit. Sie mögen zwei oder drei Indios treffen, aber dann ist eine Wolke von Giftpfeilen bei uns, die wir bestimmt nicht überleben.« Marco lächelte sogar. Ein etwas verzerrtes Lächeln. »Passen Sie mal auf, wie sie reagieren.«
Er stieß das Messer in sein großes Fischstück, hob es hoch und zeigte es den Indianern mit einer einladenden Bewegung der anderen Hand. Dann wies er auf den schuppenglitzernden Körper des Arapaima und winkte ihnen, näher zu kommen. Das ist für euch, hieß das. Ich schenke euch diesen Riesenfisch. Holt ihn euch.
Die Geste zeigte Wirkung. Nach einer kurzen Beratung bemühten sich die Indios nicht mehr, in Deckung zu bleiben. Sie richteten sich auf und kamen langsam auf die beiden seltsam weißen Menschen zu. Es war für sie wirklich die erste Begegnung mit einem weißhäutigen Mann und den merkwürdigen Dingen, die seinen Körper bedeckten. Ein richtiger Mensch ist nackt. Was sind das für Wesen, die aussehen wie Menschen? Wo kommen sie her? Sie haben einen Fisch gefangen und essen ihn wie wir. Ein Feuer haben sie gemacht. Sie haben keine Bogen und Pfeile, nur der eine hat einen Speer, mit dem er den Fisch gestochen hat. Und ein ganz anderes Beil als wir hat er. Kein geschliffener Stein, keine geschliffene Kinnbacke eines Tapirs. Ein Hieb, und ein Piranha war mittendurch gespalten. Und keine Angst hatten sie vor den Todesfischen.
»Was werden die mit uns machen?« flüsterte Gilberto und knirschte mit den Zähnen.
»Sie töten uns nicht, das hätten sie sonst längst getan.«
»Das
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