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Das Regenwaldkomplott

Das Regenwaldkomplott

Titel: Das Regenwaldkomplott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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haben Sie schon einmal gesagt, Senhor. Das glaube ich erst, wenn wir die nächste Morgensonne sehen. Der Kerl da mit der großen Vogelfeder durch die Nase ist ihr Anführer, ihm folgen die anderen.«
    Marco Minho erhob sich vom Boden. Auch er hatte ein beklemmendes Gefühl in der Brust, und sein Magen zog sich zusammen. Er atmete tief durch und ging dann aufrecht dem Anführer der Indios entgegen. Der Mann mit der Nasenfeder blieb stehen und streckte Marco seinen Speer entgegen. Dabei schrie er etwas in einer kehlig klingenden Sprache.
    Marco blieb stehen. Er war nur noch einen Meter von der gezackten Bambusspitze entfernt. Der Indio brauchte nur noch zuzustoßen. Schweiß rann Minho über das Gesicht und den Rücken hinab. Kalter Schweiß … Schweiß der Angst.
    Aber der Speer stieß nicht zu. Die Blicke der braunen Augen des Indianers und Minhos fast schwarze Augen trafen aufeinander. Sekundenlang, lautlos, forschend und fragend. Und dann plötzlich lächelte Marco. Er zeigte nach hinten auf den großen Arapaima und winkte. Auf dem Gesicht des Indios breitete sich auch ein Lächeln aus. Menschen, die sich anlächeln, töten sich nicht.
    Der Anführer rief ein paar Worte zu den anderen Indianern, nahm seinen Speer hoch und folgte Marco, der langsam zum Feuer und zu Gilberto zurück ging.
    »Bleiben Sie sitzen«, sagte er dabei zu Quadros. »Keine verdächtige Bewegung. Wir haben uns angelächelt, wir verstehen uns.«
    »Wie lange?«
    »Wer weiß? Zunächst essen wir Fisch miteinander. Essen und Trinken ist die älteste Form der Freundschaft.«
    Er hatte den großen Arapaima erreicht und zeigte wieder auf den Fisch und dann auf die Indiohorde. Der Anführer verstand sofort. Er nickte, rief ein paar Worte, zwei Indios hoben den schweren Leib auf ihre Schultern und setzten sich in Bewegung. Zurück, woher sie gekommen waren. Die anderen folgten ihnen, nur der Anführer blieb vor den weißen Wesen stehen.
    »Das ist eine Frechheit!« meinte Gilberto erstaunt. »Die klauen unseren Fisch.«
    »Ich habe ihn ihnen geschenkt. Das haben sie sofort verstanden.«
    Der Anführer lächelte Minho wieder an, streckte die Hand aus, wies den Fluß hinauf und nickte. Dabei winkte er.
    »Er lädt uns ein!« stotterte Gilberto. »Er lädt uns tatsächlich zum Essen ein!«
    »Da sieht man wieder, daß nicht Gewalt, sondern Vernunft viele Probleme lösen kann. Treten Sie das Feuer aus und gehen wir.«
    Gilberto zerstampfte die Glut, hing sein Gewehr um, nahm Marcos Gewehr vom Boden auf und folgte Minho und dem Indio, die vorausgingen.
    Der schmale Pfad, für einen Fremden fast völlig unsichtbar, wand sich durch die Mangrovenbüsche, Riesenfarne und wilden Kakaosträucher immer in Flußnähe bis zu einer Bucht, in der schon von weitem eine Reihe von Kanus sichtbar wurde. Auch hier bildeten die Kronen der Bäume ein hohes Blätterdach bis zur Mitte des Flusses, wo der grüne Dom aufriß und die Sonne das Wasser wie eine Silberplatte glänzen ließ.
    Das Indianerdorf lag unweit vom Ufer entfernt auf einer aus dem Regenwald herausgeschlagenen Lichtung. Langgestreckte, mit Palmenblättern und Reisig bedeckte Hütten, in denen drei bis fünf Familien zusammenwohnten und eine Gemeinschaft bildeten. Es gab noch ein großes, nach allen Seiten offenes Männerhaus, in das nur Männer hineindurften und wo man zum Palaver zusammenkam. Eine kleinere Hütte, etwas abgesondert, stand nahe am Waldrand. Es war, wie Marco später erfuhr, die Hütte, in die man die Mädchen bei ihrer ersten Periode brachte. Man sonderte sie kurz vom Stamm ab, bis sie von erfahrenen Frauen betreut und gewaschen am Ende der Blutung als ›saubere Frauen‹ in die Gemeinschaft zurückkehrten. Von da an blieben sie im Haus, wurden einem jungen Mann, der seine Mannbarkeit bewiesen hatte, als Frau gegen eine Brautgabe übergeben und bekamen dann bald selbst Kinder. Mütter mit vierzehn Jahren waren völlig normal. Die Menschen hier wurden nicht älter als dreißig oder fünfunddreißig Jahre. Ein Mann von fünfzig war schon eine Seltenheit, wurde er sogar sechzig, verehrte man ihn wie einen fleischgewordenen Geist.
    Das Erscheinen der beiden Weißen löste eine Art Panik aus. Die Frauen trugen eiligst ihre Babys in die Hütten, und die größeren Kinder liefen ihnen nach und versteckten sich. Peitschenschwänzige, falbenfarbige dünne Hunde mit großen abstehenden Ohren bildeten ein schaurig kläffendes Knäuel und fletschten die Zähne. Gebisse, die fast denen der Piranhas

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