Das Regenwaldkomplott
Feuer.«
»Und in der Nacht?«
»Ich habe genug Decken mitgenommen. Außerdem hat Ihr Zelt eine Doppelwand.«
»Ich habe ein eigenes Zelt?«
»Was dachten Sie denn?« Sie zeigte auf das zweite Zelt. »Dort ist es. Ich habe es extra für Sie mitschleppen lassen.« Sie blickte ihn forschend, aber kühl an. »Das war doch selbstverständlich.«
»Sie … Sie haben einen großen Eindruck auf mich gemacht, Luisa. Ich könnte Ihnen bei allen Ihren Forschungen helfen. Was Sie auch brauchen, Sie bekommen es. Jeder Wunsch wird Ihnen erfüllt. Ich habe in Boa Vista großen Einfluß bei allen maßgebenden Behörden und Persönlichkeiten. Ich kann Ihnen alle Türen aufstoßen.«
»Ich werde darauf zurückkommen, wenn ich etwas brauche«, antwortete sie ruhig.
»Sie sind eine wunderbare Frau.«
»Das sagten Sie schon.«
»Man müßte es tausendfach sagen!« Er rückte wieder näher, und plötzlich schlang er seinen rechten Arm um sie. »Luisa, Sie können einen Mann um seinen Verstand bringen –«
Sie gab keine Antwort – es war auch nicht nötig. Auch seinen Arm brauchte sie nicht abzuwehren, er ließ sie von selbst mit einem erschrockenen Ausruf los.
Aus der Dunkelheit zischte etwas heran und bohrte sich direkt vor Bejas Stiefel in den Waldboden. Ein Federbusch wippte im Feuerschein. Ein weißes Stück Papier flatterte unter den Federn.
Beja warf sich mit schreckgeweiteten Augen vom Feuer weg in den Schatten.
Vor ihm zitterte ein langer Pfeil in der Erde. Das Holz war rot gestrichen.
Der ›Rote Pfeil‹.
Luise stieß einen spitzen Schrei aus und starrte dann wie gebannt auf den Pfeil. Die fünf Yanomami in ihren Hängematten rührten sich nicht, so, als sei nichts geschehen. Ausdruckslos blickten sie zu dem großen Feuer hinüber. Sie sahen den großen roten Pfeil im Licht der Flammen in der Erde stecken, sie hatten Luises Aufschrei gehört, sie hätten sofort aufspringen und Luise schützen müssen – aber nichts geschah, keine Regung.
Beja war, nachdem er sich aus dem Lichtkreis ins Halbdunkel geschnellt hatte, sofort auf die Füße gesprungen und hatte sein Gewehr, das neben dem Deckenhaufen lag, an sich gerissen. Um ihn herum stand wie eine schwarze Wand der Urwald, so still, daß er seinen eigenen Atem wie Trompetenstöße wahrnahm. Nur die Feuer knisterten, aber alle Tiere schwiegen. Kein Nachtvogel, kein Äffchen warnte mit Geschrei oder Gekreische vor der unsichtbaren Gestalt im Dschungel.
Nach dem ersten Schreck hatte sich Luise schnell gefaßt. Sie beugte sich zu dem roten Pfeil vor und streckte die Hand aus, um den Zettel abzureißen. Aber Beja schrie sie entsetzt an:
»Nicht anfassen, Luisa! Er ist vergiftet.«
»Nur die Spitze, doch nicht der Schaft.«
»Das wissen wir nicht. Kommen Sie weg vom Feuer.«
»Wenn er uns töten wollte, hätte er es längst getan. Er will mich nur beschützen.«
»Beschützen? Sie? Warum denn?«
»Ich weiß es nicht. Er hat schon einmal einen Pfeil nach mir geschossen.« Sie riß den Zettel vom Pfeil. »Damals war Dr. Binder bei mir.«
»Warum hat man mir das nicht erzählt?«
»Ist das wichtig?«
»Aber unheimlich wichtig! Er ist der Mörder von Senhor Ramos. Bisher hat er zwölf Männer umgebracht!« Beja blieb im Schatten, das Gewehr im Anschlag. »Was steht auf dem Papier?«
»Soll ich vorlesen?« Sie beugte sich etwas zum Feuer, um mehr Licht zu haben. »Eine kurze Botschaft an Sie, Senhor Beja. In einem einwandfreien Portugiesisch geschrieben. Das ist kein Indio.«
»Was schreibt er?« schrie Beja unbeherrscht.
»Arlindo, lassen Sie die Finger von Luisa. Ich töte Sie, wenn Sie sie anfassen. Ich sehe alles!« Sie schwieg und legte den Zettel auf die Erde.
»Und weiter –«
»Weiter nichts. Das ist alles.«
Beja zögerte, aber dann hatte er doch den Mut, zum Feuer zurückzukehren. Er bückte sich und hob den Zettel auf, las ihn durch, zerknüllte ihn dann und warf ihn in die Flammen.
»Sie haben recht, Luisa«, sagte er mit belegter Stimme. »Das ist kein Indio. Das ist ein verdammter Anarchist.«
»Der Robin Hood der brasilianischen Regenwälder.«
»Verherrlichen Sie ihn auch noch!« Beja ballte beide Fäuste. »Wir werden ihn bekommen und in Boa Vista mit dem Kopf nach unten, an den Füßen am höchsten Mast aufhängen! Ich schwöre es Ihnen – Sie werden schon sehen!«
* * *
Am frühen Morgen, als die Affen wieder zu kreischen begannen, kletterte Gilberto Quadros von seiner Astgabel hinunter.
Er fand Marco Minho unverletzt vor und
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