Das Reich der Dunkelelfen - Weltennebel
war. Zärtlich strich er ihr die Haare aus dem schmollenden Gesicht.
»Wir waren ohnehin schon länger als geplant bei dir. Deine Mutter, dein Onkel und ich müssen dringend weiterziehen. Aber ich werde dich noch bis zu Lilith begleiten, die dich sicher ins Dorf zurückbringen wird.« Darian musste über sich selbst lachen, als er feststellte, dass er dem bezaubernden kleinen Mädchen schon wieder mehr zugestand, als er eigentlich beabsichtigt hatte. »Ihr beide solltet zurückgehen, Mia, sonst macht sich Nordhalan Sorgen«, schlug Darian vor. »Ich komme mit Tagilis nach. Ich denke, wir nehmen Fenja besser mit zu Lilith, auf einem Boot wird sich die Wölfin kaum wohlfühlen.«
Mia drückte Leána an sich, küsste sie auf die Wange, und Darian konnte sich vorstellen, wie ungern sie das Mädchen zurück ließ. Dann umarmte Mia auch Darian. »In Ordnung, wir treffen uns später, Darian.«
Er nahm Leána an der Hand, das Mädchen winkte Atorian noch einmal zu, und dann eilten sie mit Tagilis und Murk davon.
»Komm, Atorian, wir sollten uns beeilen«, drängte Aramia und zupfte Atorian, der den vier mit der Dunkelheit verschmelzenden Gestalten hinterhersah.
»Leána ist ein wunderbares kleines Mädchen.« Atorians Stimme klang wehmütig, und der Mann, den sie als befehlsgewohnt und sehr selbstsicher kennengelernt hatte, wirkte nun ungewohnt schwermütig und bedrückt. »Ihr müsst sehr glücklich sein.«
»Ja, das sind wir.« Eine Weile liefen sie schweigend über das Land. Die Sterne beleuchteten ihren Weg nur spärlich, und obwohl auch Atorian bei Nacht noch recht gut sehen konnte, warnte Aramia ihn doch immer wieder vor umgestürzten Bäumen oder Löchern, die irgendwelche Tiere gegraben hatten. Auf einer Lichtung – unter ihnen lag das nachtschwarze Wasser eines Bergsees –, hielt Atorian plötzlich an, und sein markantes Gesicht mit dem sauber gestutzten dunklen Bart wandte sich nach Norden.
»Was bedrückt dich? Ist es die Zerstörung der Dracheninsel?«
Seufzend lehnte er sich gegen einen großen Felsen. »Das auch. Es sind viele Dinge, die mich bedrücken und verwirren.«
Als Aramia auffordernd nickte, fuhr er fort.
»Ich habe so lange Zeit im Gefängnis gesessen. Dann komme ich frei, obwohl ich niemals damit gerechnet hätte. Meine Eltern sind tot, mein Bruder lebt und ist zum König gekrönt und doch ist unser Königreich in der Hand eines verdammten Bastards.«
»Das ist sicher nicht einfach.«
»Verdammt, Aramia, Männer, die ich als Jünglinge kannte, sind nun beinahe Greise. Torgal – ich kann kaum fassen, wie alt er geworden ist. Und Jeroman: Er war noch ein Junge, vor kurzer Zeit traf ich ihn als alten Mann und jetzt ist er tot.« Große Trauer und hilflose Wut schwangen in seinen Worten mit.
»Freunde zu verlieren ist der Preis für ein langes Leben, Atorian. Vielleicht ist es mein Glück, dass ich auf der Nebelinsel gelebt habe, ich habe noch nicht sehr viele von denen verloren, die mir am Herzen liegen.«
»Manchmal empfinde ich die Unsterblichkeit als Fluch«, gab Atorian zu. »Jeroman ist durch meine Schuld gestorben. Er war kein großer Krieger, sondern schloss sich uns nur unserer früheren Freundschaft wegen an. Er hatte ebenso wie alle anderen Angst, auf die Geisterinsel zu gehen.«
Aramia war froh, dass Atorian nun endlich über seine Sorgen und Schuldgefühle sprach, auch wenn es ihr lieber gewesen wäre, er hätte dies Darian anvertraut, der ihm näher stand als sie selbst. Dennoch wollte sie versuchen, ihm etwas Trost zu spenden.
»Es war nicht deine Schuld«, versicherte sie und nahm seine Hand in ihre. Sie fühlte sich stark und rau an, die Hand eines Kriegers, der schon viele Schlachten geschlagen hatte. »Ich kannte Jeroman nicht wirklich, aber ich bin mir sicher, er war ein guter Mann. Er hatte sich für das Leben eines Rebellen entschlossen und zwar schon, bevor er wusste, dass du lebst. Es war sein freier Wille, und du konntest nicht erahnen, dass wir von Dunkelelfen angegriffen werden.«
Eigentlich wollte Aramia ihn nur trösten, als sie ihm vorsichtig über die Wange strich, doch plötzlich zog er sie an sich heran und küsste sie voller Leidenschaft. »Du bist wunderschön, Aramia.«
Erschrocken sprang sie zurück. »Bist du wahnsinnig, Atorian! Was soll das?«
Doch auch wenn dieser nun ein wenig verlegen schien, konnte Aramia immer noch das Verlangen in seinen Augen erkennen.
»Komm jetzt«, verlangte Aramia und bemühte sich, ihrer Stimme einen kühlen Klang
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