Das Reich der Elben 01
nicht mehr zu sehen, dafür galeerenartige, bauchige Schiffe, die viele Hundert Barbaren transportieren konnten.
Nachrichten über die Rhagar drangen aber auch über Lirandils Verbindungen zu den Zentauren bis zu den Elben vor. Einzelne Rhagar-Horden waren danach bereits in den nördlich von Perea und Soria gelegenen Südwestlanden gesehen worden, wo sie ganze Zentauren-Clans abgeschlachtet
hatten. Angeblich brieten sie ihr Fleisch und aßen es. Viele Zentauren waren seitdem auf der Flucht gen Norden, um zu ihren Brüdern im Waldreich zu gelangen.
Branagorn der Suchende, der als Herzog von Elbara in Candor, der bis dahin südlichsten aller Elbenburgen, residierte, schickte immer wieder Kundschafter in die an Elbara angrenzenden Gebiete. Dort stießen sie auf die ersten wagemutigen Gruppen der Rhagar, doch deren Scheu war groß, und sie zogen sich in die große Ebene zurück, die südlich von Elbara zwischen einem »Hocherde« genannten Gebirge und dem Zwischenländischen Meer lag. Die Elben nannten diesen Landstrich Aratan, was »Mondsichel« bedeutete und auf die Form der Meereseinbuchtung anspielte, an der dieses Land lag.
Äonenlang war Aratan ein Durchgangsgebiet für die Wanderungen der Zentauren zwischen den Südwestlanden und dem Waldreich gewesen. Nun warteten dort an den natürlichen Wegen, die durch dieses Gebiet führten, Rhagar-Horden und fingen die Zentauren ab. Aus dem Hinterhalt lauerten die Menschenabkömmlinge auf die Zentauren und streckten unzählige von ihnen mit Pfeil und Bogen nieder. Für die Rhagar waren Zentauren nur wilde Tiere. Ein Wild, das man jagen, dessen Fleisch man verzehren und aus dessen Haut man Leder gerben konnte. Wahre Schreckensgeschichten berichteten jene Zentauren, die sich bis nach Elbara retten konnten.
Herzog Branagorn sorgte dafür, dass all diese Geschehnisse aufgeschrieben wurden und die Berichte mithilfe von Boten über Nuranien und die Brücke von Minasar nach Elbiana gelangten, wo sie schließlich am Hof von Elbenhaven König Keandir vorgetragen wurden. Der beriet sich mit seinen Getreuen.
»Noch begegnen die Rhagar uns mit Ehrfurcht – aber das wird nicht ewig so bleiben, mein König«, äußerte sich Prinz Sandrilas. »Wir sollten beizeiten die Befestigungsanlagen im Süden Elbaras verstärken.«
»Wo befindet sich gegenwärtig mein Sohn Andir?«, fragte
Keandir.
»Ich glaube, er lässt bei Tirasar eine Brücke über den Tir- Strom materialisieren, nachdem sich die Brücke über den Nur als so stabil und nützlich erwiesen hat.«
»Wenn er wieder hier am Hof ist, werde ich mit ihm die
Möglichkeiten erörtern, die wir haben.«
»Ich wüsste eine Möglichkeit, uns fürs Erste zu schützen«, sagte Prinz Sandrilas.
Keandir sah den einäugigen Prinzen verwundert an. »Nun, so haltet mit Eurem Rat nicht hinterm Berge, Prinz Sandrilas.«
»Rüstet eine Truppe von Reitern aus und schickt sie nach Aratan, um die Rhagar so einzuschüchtern, dass sie sich für die nächsten tausend Jahre nicht mehr der Grenze von Elbara nähern.«
»Ihr wisst, wie wenige wir sind, Prinz Sandrilas. Abgesehen davon ist die von den Tagoräern gegründete Stadt Cadlan von den Rhagar erobert worden. Sie hausen jetzt in den Ruinen und versuchen die Kultur der Cadlanier zu imitieren. Selbst das überhebliche Zurschaustellen des eigenen Reichtums, für den der regierende Tyrann von Cadlan Zeit seines Lebens bekannt war, wird von dem wilden, haarigen Krieger, den sie zum Herrscher erhoben haben, nachgeeifert.«
»Als unser Schiff Cadlan anlief, erwartete uns dort ein unbeschreiblicher Jubel«, erklärte Ithrondyr. »Und Gesten der Unterwerfung. Wir brauchten nicht einmal mehr zu magischen Tricks zu greifen, um die Rhagar zu beeindrucken. Unser Ruf war uns offensichtlich vorausgeeilt, und ich nehme an, dass die Erzählungen über unsere Macht sich im Laufe der Zeit mit
allerlei fantastischen Elementen angereichert hatten, die uns in einem noch göttergleicheren Licht erschienen ließen.«
Im nächsten Frühjahr brach Kapitän Ithrondyr abermals zu einer Fahrt nach Süden auf – und wenige Wochen danach segelte Keandir mit der »Tharnawn« in Richtung der elbareanischen Küste. Dabei ließ er sich unter anderem von seinem Sohn Andir begleiten, während Magolas die Anordnung erhielt, im heimatlichen Elbenhaven zu verweilen.
»Einer meiner Söhne muss hierbleiben, um notfalls die Herrschaft übernehmen zu können, falls mir etwas zustößt«, hatte Keandir entschieden. »Und für diese Fahrt brauche
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