Das Reich der Elben 01
sich den Gegebenheiten beugen.
Kapitän Ithrondyr fuhr fort. »Die Tagoräer sind auf dem rhagardanischen Festland von den Rhagar vernichtend geschlagen worden. Andererseits ließen sich die Rhagar von uns sehr leicht einschüchtern, als wir ihnen begegneten.« Und dann begann Ithrondyr davon zu berichten, wie er mit der
»Jirantor« einen breiten Fluss hinaufgefahren war, der sich mitten durch die Wüste der Sandlande schlängelte. Ein schmaler fruchtbarer Streifen umsäumte dieses Gewässer, dessen Quelle irgendwo in den fernen Gebirgen liegen musste, die sich in der Wüste manchmal in Form von Luftspiegelungen zeigten.
Schon bald tauchten an den Ufern Horden von Rhagar auf. Sie starrten Kapitän Ithrondyr und seine Mannschaft zunächst nur an, ließen sie aber nicht aus den Augen. »Einfache magische Illusionen beeindruckten sie so stark, dass sie sich am Ufer vor uns in den Staub warfen und uns huldigten, wie sie es wahrscheinlich mit ihren Göttern zu tun pflegen«, erzählte Ithrondyr. »Wir fuhren den namenlosen Fluss der Sandlande stromaufwärts bis zu einer Stadt; die Rhagar nannten sie Shonda. Dort regiert der sogenannte Bronzefürst. Seine Macht gründet sich wohl darauf, dass er das Geheimnis der Metallverarbeitung kennt, die unter den Rhagar nicht allgemein bekannt zu sein scheint.«
»Und wie seid Ihr in der Stadt des Bronzefürsten empfangen worden?«, fragte Keandir.
»Wie Götter. Man überhäufte uns mit Geschenken und Opfergaben. Und wir zeigten uns erkenntlich, indem wir einige kleinere Illusionen erzeugten. Nichts Großes. Alles Dinge, mit
denen sich Elbenkinder die Zeit vertreiben. Doch sie sind so einfältig und lassen sich so leicht beeinflussen, dass es schon fast keine Freude macht. Darüber hinaus führte unser Bordheiler Jorabolas ein paar Heilungen durch. Die Heilkunst der Rhagar ist auf einem so erschreckend niedrigen Stand, dass es mich nicht wundert, dass ihr Leben einer kurzen Qual gleicht und sie wahrscheinlich froh sind, wenn sie ein früher Tod von den Eiterschwären und allerlei anderem Ausschlag und Entzündungen erlöst.«
»Eure Erzählung klingt so, als bestünde fürs Erste keine
Gefahr für uns«, meinte Keandir.
»Das ist für den Moment richtig«, erwiderte Ithrondyr. »Aber erstens kann sich die Gesinnung dieser Wilden im Handumdrehen ändern, und zweitens haben mir die Tagoräer berichtet, dass die Rhagar auch ihren Kolonisten an der Rhagardan-Küste zunächst mit großem Respekt und unterwürfiger Bewunderung begegneten.«
»Ist das vielleicht eine besondere List dieser Barbaren?«, fragte Keandir.
»Möglich«, gab Ithrondyr zurück. »Aber ich persönlich glaube eher, dass sie sehr gelehrig sind und alles Fremde, das ihnen irgendwie nützlich sein kann, begierig in sich aufnehmen. Zumindest war es anscheinend bei den Tagoräern von Hiros und anderen Küstenorten so; die Tagoräer glauben, dass diese Barbaren das Geheimnis der Metallverarbeitung von ihnen im wahrsten Sinn des Wortes abgekupfert haben. Offenbar gab es in den tagoräischen Rhagardan-Kolonien nämlich zahlreiche Rhagar-Hilfskräfte, die sich für geringen Lohn anwerben ließen.«
»Es wird wohl nötig sein, die Entwicklungen rund um das
Pereanische Meer zu beobachten«, entschied König Keandir.
»In Zukunft möchte ich, dass ihr zwei Mal im Jahr in die
Gewiisser jenseits von Tagora segelt und m1r ebenso oft
Bericht erstattet. «
11
DIE GÖTTER DER RHAGAR
Für viele Jahre fuhr Kapitän Ithrondyr mit seiner »Jirantor« Jahr um Jahr einmal im Frühjahr und einmal im Herbst zu den Gestaden des Pereanischen Meeres.
Die Kunde, die von dort aus ebenso oft nach Elbenhaven gelangte, wurde immer bedrohlicher. Die Rhagar hatten danach bereits die südwestlichen Teile des Zwischenlandes besiedelt, und die tagoräischen Kolonisten in Soria hatten sich nur mit Mühe gegen die Invasoren verteidigen können. Dasselbe galt für die Stadt Cadlan, die erst vor einem Menschenalter von tagoräischen Seefahrern gegründet worden war. Kein Tagoräer wagte sich noch außerhalb der Stadtmauern, die von einer riesigen Armee bewaffneter Rhagar belagert wurde.
Deren Katapulte wirkten zwar noch wie Parodien auf die Kampfmaschinen der Verteidiger, aber es brauchte sicher nicht mehr allzu lange, bis die Rhagar auch in dieser Hinsicht dazugelernt hatten.
Die Schiffe, welche die Rhagar bauten, waren in seemännischer Hinsicht bereits innerhalb weniger Jahrzehnte sehr viel besser geworden. Primitive Flöße waren bald überhaupt
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