Das Reich der Katzen (German Edition)
gekommen war, sich Lavinas
lauernder Machtgier zu stellen. Sie schloss die Augen und wartete. Der Traum
kam sofort, als Onishas Augenlider schwer wurden. Da war eine subtile Kraft,
die eine unsichtbare Macht in ihren Kopf und ihr Herz schickte. Mehr noch. Da
war unheilvolle Schwärze, die diese fremde Kraft umgab, aus der plötzlich Augen
leuchteten ... So unwirklich und bedrohlich, dass sich Onishas Geist der Traumwelt
wieder entziehen wollte.
Aber Lavina ließ das nicht zu. Wen sie einmal in ihren Klauen
hatte, ließ sie so schnell nicht mehr gehen. Sie lachte hässlich. »War das
schon alles, was du mir entgegenzusetzen hast? Du enttäuschst mich.« Ihr Lachen
schwoll an. »Du machst es mir noch leichter als Rouven und Corey. Die haben
zumindest gekämpft.«
Onisha keuchte. Der Schmerz kroch in jede einzelne Körperzelle.
Wandelte sich in Wut. Ohnmächtige Wut, die ihren Kampfwillen lähmte. Aber
dieses Gefühl ließ Onisha nicht lange zu, weil es sie angreifbar machte. Und
sie wollte Lavina keine Pluspunkte liefern.
»Bravo!«, höhnte die Magierin. »So ist es gut. Mach es mir nicht
so leicht. Das macht das Spiel so uninteressant.«
Onisha nahm all ihre Energie zusammen und schickte Lavina einen
zornigen Gedankenblitz:
DU WIRST DEN THRON DER BASTET NIEMALS BESTEIGEN. NIEMALS!
Lavina stieß einen undefinierbaren Laut aus. Sah sogar ein wenig
verunsichert drein. »Erstaunlich, du bist besser, als ich dachte«, gestand sie
ein.
Onisha schnaubte verächtlich. »Und was hast du gedacht,
Magierin?« Sie betonte das letzte Wort bewusst so, dass es wie eine Beleidigung
klang. Aber so billig konnte man Lavina nicht aus der Reserve locken. Da musste
man sich schon etwas Besseres einfallen lassen.
Sie denkt wohl, sie hätte leichtes Spiel mit mir, dachte Onisha
zornig.
Das kehlige Lachen erklang erneut. Es ging Onisha durch und
durch. Aber erst Lavinas Stimme drückte ihre Gefährlichkeit aus. Sie war sanft,
aber tödlich. Sie lullte das Opfer ein und stieß dann blitzschnell zu, wenn es
wehrlos in der Traumwelt gefangen vor ihr lag. Wie eine Schlange, die ihre
Beute vor dem Fressen hypnotisiert und dann blitzschnell zustößt, wenn sie
wehrlos vor ihr liegt.
»Richtig!«, bestätigte Lavina Onishas Gedanken. Ihre Stimme klang
geschmeichelt. »Aber wir wollen nicht lange um den heißen Brei herumreden. Auch
wenn das den Reiz des Spiels immens erhöht.«
»Ich höre immer nur Spiel«, empörte sich Onisha. »Von Spiel kann
nicht die Rede sein. Du hast zwei meiner Freunde getötet.« Sie schluckte ihren
Zorn hinunter. »Aber reden wir Klartext: Wie komme ich zu dir? Denn das ist es
doch, was du willst.«
Lavina kicherte bösartig. »Mutiges Mädchen«, sagte sie mit einem
harten Klang in der Stimme. »Bambara, der Zauberer, wird dir den Weg weisen.
Aber wenn du denkst, dass das schon alles ist, hast du dich getäuscht. Ihr
müsst erst einmal an Neith vorbei.«
Lavinas Lachen klang jetzt wie das einer Irren. Dann brach es
abrupt ab und Onisha spürte, wie sie zurück in die reale Welt geschickt wurde.
»Wer ist Bambara?«, fragten Fleur und Ben einige Minuten später
neugierig.
Onisha schüttelte benommen den Kopf. »Bambara?«, fragte sie
gedehnt. Wo hatte sie den Namen nur gehört? Fleur nickte. »Du hast den Namen
immerzu gerufen.« Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Den und Lavinas.«
Onisha setzte sich auf und grübelte angestrengt nach. Bambara, dachte sie, Bambara. Woher kannte sie diesen Namen?
Plötzlich fiel es ihr ein. »Jetzt weiß ich es wieder«, rief sie erfreut.
»Lavina hat mir gesagt, wie ich zu ihr in das Tal der Träume komme.«
»Das ist eine Falle!«, mischte sich Valentin ein.
Onisha lächelte geheimnisvoll. »Du hast doch noch gar nicht
gehört, was sie mir gesagt hat.«
»Dann schieß los!«
Als Onisha endete, trat minutenlanges Schweigen ein. Valentins
Gesichtsausdruck war sehr besorgt. »Das hört sich nicht gut an«, wiederholte er
mehrmals.
Fleur sah ihn ärgerlich an. »Wir können nicht tatenlos zusehen,
wie Lavina einen nach dem anderen von uns umbringt und schließlich Bastets
Thron besteigt. Hast du eine Ahnung, wer Bambara und Neith sind?«
»Bambara ist ein Zauberer in den angrenzenden Wäldern, hinter
denen das Tal der Träume liegt, und Neith ...« Valentin sprach nicht weiter. Er
hob den Kopf und sah in den Himmel. Dort konnten sie gerade noch Blackbird und
seinen Schwarm fortfliegen sehen. Sie waren schon auf dem Weg in die Wälder.
Bildeten somit die Vorhut.
Die
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