Das Reich der Katzen (German Edition)
dagegen«, erwiderte sie hoheitsvoll.
»So? Und was?« Ben ließ sich nicht so schnell entmutigen, hatte
aber eindeutig nicht den richtigen Tonfall gewählt. Neiths Gesicht verdüsterte
sich. So respektlos hatte schon lange niemand mehr mit ihr gesprochen. Spannung
lag in der Luft. Onisha hielt den Atem an und fragte sich, warum sich Ben so
unklug verhielt. Immerhin wollten sie etwas von Neith. Wenn die Magierin sie
nicht passieren ließ, war alles umsonst gewesen. Hilfe suchend sah sich Onisha
um. Warum griff keiner der Freunde ein?
Valentin schien ihre Gedanken zu lesen. Er drängte Ben beiseite
und machte die Andeutung einer Verbeugung. »Es leuchtet uns ein, dass du
Unbefugten die Durchreise verwehren musst, aber wir haben einen guten Grund ...
nein, mehrere Gründe, warum wir passieren müssen.«
Neith fixierte den Kater eine Weile. Aus ihrem Blick wich die
Überheblichkeit, die Bens Auftreten hervorgerufen hatte. Onisha atmete
erleichtert auf. Valentin sammelt Pluspunkte, dachte sie.
»Dann nenne mir deine Gründe!«, gebot Neith ihm. »Doch zuerst
verlangt es wohl der gute Ton, dass du dich vorstellst.«
»Gewiss«, beeilte sich Valentin zu versichern. »Ich bin Valentin,
der Seher des Schwarzen Klosters. Ich ...«
Neith stieß ein erstauntes Keuchen aus. »Du bist der Seher des
Schwarzen Klosters?«, rief sie.
Valentin nickte. »Und das sind meine Freunde. Wir sind auf dem
Weg in das Reich der Katzen ...« Wieder ertönte Neiths Keuchen. »Vorher müssen
wir uns jedoch mit Lavina auseinandersetzen«, fuhr Valentin unbeirrt fort.
»LAVINA?« Neith spie das Wort förmlich aus. »Was um alles in der
Welt habt ihr mit der zu schaffen?«
Valentin seufzte. »Wir haben berechtigten Grund zu der Annahme,
dass einer von uns Bastets Nachfolger wird. Wir ...«
Neith verlor jegliche Kontrolle über sich. Zuerst starrte sie
Valentin fassungslos an, dann wurde ihr Gesicht rot vor Wut. »Willst du mich
auf den Arm nehmen, Kater?«, schrie sie. »Du behauptest allen Ernstes, einer
von euch würde Bastets Thron besteigen?« Sie warf den Kopf in den Nacken und
lachte. »Du lügst wie gedruckt. Immerhin müsstet ihr erst einmal die
Schriftrolle der Bastet finden und das ist bisher noch keinem gelungen.«
»Woher willst du das wissen?«, fragte Valentin in einem Tonfall,
als ob er mit einem ungezogenen Kind spräche und der Neith aufhorchen ließ.
»Willst du etwa andeuten ...«
Ärger schwang in Valentins Stimme. »Wir haben DAS BUCH DER TORE
gefunden und ich weiß, dass einer ...« Er verbesserte sich. »... eine von uns die Nachfolgerin ist. Wir haben keine Zeit für Wortspielereien. Lässt
du uns nun passieren oder nicht?«
Neith schien einen Moment nachzudenken, ob sie Valentin glauben
sollte oder nicht. Sie musterte Twinky, dann Onisha und Fleur. Ihr Blick blieb
an Onisha und dem Stein um deren Hals hängen. Ein nachdenklicher Ausdruck trat
auf ihr Gesicht. Dann sah sie wieder Valentin an und sagte leise: »Ich glaube
euch!«
Schweigend liefen stundenlang weiter, um möglichst viele
Kilometer zwischen sich und Neith zu legen. Schließlich legten sie sich
erschöpft auf die Erde und schliefen ein. Früh am nächsten Morgen wurden sie
von Ben geweckt. »Es wird Zeit, dass wir tun, was uns Bambara geraten hat«,
forderte er seine Freunde auf.
Sie legten die Bündel mit den Pilzen zusammen und bildeten einen
Kreis. Bedächtig öffnete Valentin ein Bündel nach dem anderen und reichte den
Katzen die Pilze. Onisha hatte bereits fünf Stück davon verzehrt und wartete
gespannt darauf, was geschehen würde. Zuerst bemerkte sie gar nichts.
Enttäuscht wollte sie die anderen fragen, ob es bei ihnen ebenso war, doch
plötzlich begann sich ihr Geist zu vernebeln. Sie wurde schläfrig und ließ sich
einfach auf die Erde sinken. Dann hörte sie die Stimmen ihrer Freunde immer
verzerrter und wie durch eine Nebelwand. Zuletzt rauschte es wie die
Niagarafälle in ihren Ohren und plötzlich verlor sie jeglichen Bezug zu Zeit
und Raum. Sie hatte das Gefühl, dahinzuschweben, und fand das wundervoll. Es
befreite sie von jeglichen Problemen. Auf dem Gipfel der Entspanntheit, der an
einen Rausch grenzte, begannen die Halluzinationen. Farben. Schillernd, bunt.
Eine Palette von unvorstellbarer Vielfalt, die dann in eintöniges Grau abfiel
und immer dunkler wurde. Bis zu düsterem Tintenschwarz.
Mit den Farben wechselte auch ihr Wohlbefinden. Je dunkler es vor
ihren Augen wurde, desto schlechter fühlte sie sich. Als ob
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