Das Reich der Katzen (German Edition)
wiegte nachdenklich sein Haupt. »Aber es könnte gelingen!
Immerhin habt ihr es auch schon bis hierher geschafft. Aber als Nächstes müsst
ihr Neith passieren. Wenn euch auch das gelingt, esst von den Zauberpilzen, die
ich für euch sammeln werde. Morgen gehe ich in den Wald und hole sie.« Er
machte eine fahrige Handbewegung. Dann blieb er stumm. Starrte mit trübem Blick
vor sich hin.
Er hatte alles gesagt, was zu sagen war.
Onishas Träume wurde immer verworrener. Sie wusste dass Lavina
ihrem Zusammentreffen mit Spannung entgegensah. Und diese Spannung hatte auch
Onisha ergriffen. Morgens, wieder der Traumwelt entrissen, fühlte sie steigende
Erregung in sich.
Eine Erregung, die Fleur mit ihr teilte. »Es ist bald so weit,
nicht wahr?« Das Vibrieren in ihrer Stimme verriet sie. Onisha sah sie an.
Stumm versanken sie im gegenseitigen Blickkontakt. Da war es wieder, das tiefe
Verständnis. Ohne überflüssige Worte. Doch sie hatten keine Gelegenheit, es
auszukosten. Valentin strich unruhig um sie herum.
»Was ist los, mein Freund?«, wollte Onisha wissen.
Der Kater mit den hellseherischen Fähigkeiten trug einen düsteren
Gesichtsausdruck zur Schau. »Ich weiß nicht, was es ist, aber irgendetwas
gefällt mir nicht«, brummelte er.
Man sah ihm seine Sorge deutlich an.
Er hat etwas gesehen, dachte Onisha, wieso sagt er uns nicht,
was? Misstraut er uns immer noch? Denn dass er ihnen etwas verschwieg, spürte
sie. Aber sie konnte sich nicht wirklich darüber ereifern, denn auch sie hatte
den Freunden nicht erzählt, dass sie in ihrem letzten Traum ihren eigenen Tod
gesehen hatte. Zitternd und mit pochendem Herzen war Onisha aus dem Traum
erwacht, Lavinas triumphierendes Lachen immer noch im Ohr. Onisha versuchte es
zu verdrängen. Ebenso den Gedanken an das verführerische Gefühl, als jegliches
Leben aus ihrem Körper gewichen war. Dieses Schweben, dieses Gefühl von
unendlicher Freiheit ... Onisha rief sich energisch zur Ordnung. Gerade das
wollte Lavina bezwecken. Die Todessehnsucht, die sie verspürt hatte, war ein
weiterer Versuch, ihre Kraft zu schwächen. Aber den Gefallen würde sie Lavina
nicht erweisen!
Es ging bereits auf die Mittagsstunden zu, als Bambara mit einem
Korb voll Pilzen zurückkehrte. Man merkte dem gebrechlichen Mann an, dass ihm
jeder Schritt schwer fiel. Langsam und unsicher tastete er sich vor. Blieb immer
wieder stehen um Atem zu schöpfen. Schlurfte dann die letzten Meter herbei und
winkte die Katzen und Blackbird zu sich. Blieb erneut schwer atmend stehen und
ließ den prall gefüllten Korb zu Boden gleiten.
»Hinter diesem Wald beginnt das Grenzgebiet zum Tal der Träume.
Sollte euch Neith passieren lassen, was ich sehr bezweifle, esst vor
Sonnenaufgang diese Pilze und ihr werdet euch in einer anderen Welt
wiederfinden. In Lavinas Welt.« Er hüstelte. »Ob es euch allerdings dort
gefallen wird, ist mehr als fraglich. Ich kann euch nur dringend von eurem
Vorhaben abraten.«
»Wir danken dir, Bambara. Aber dafür ist es leider zu spät. Wenn
wir Lavina nicht in ihre Schranken verweisen, gelangen wir nie in das Reich der
Katzen!« Valentin seufzte. »Und das ist das Letzte, was wir wollen!«
Sie brachen am nächsten Morgen in aller Frühe auf. Bambara hatte
die Pilze in kleine Bündel verstaut, die Ben und Lucky trugen. Fleur hatte
Recht behalten. Ben war zwar immer noch kein Freund von Lucky geworden, aber er
duldete den kleinen Kater zumindest in seiner Nähe. Lucky wiederum unternahm
alles, um es Ben recht zu machen. Es war rührend, mit anzusehen, wie sehr er
sich um ihn bemühte. Mit seinem Verhalten war er dem liebevollen Spott der
Katzenclique ausgeliefert. Aber auch das ertrug er tapfer.
Onisha fühlte Bedauern, als sie den Waldrand erreichten und die
besondere Aura verließen. Aber gleichzeitig wurde sie von einem Nervenkitzel
befallen, den auch Fleur teilte.
Sie sahen einander an und wussten: Die Zeit der Entscheidung war
gekommen.
Neith, die Wegeöffnerin, war eine Magierin unbestimmten Alters
mit schwarzen Haaren, durchzogen von Silberfäden. Von beachtlicher Größe,
überragte sie selbst junge Bäume am Wegesrand und sah bedrohlich auf die Katzen
herab.
»Wohin wollt ihr? Ins Tal der Träume?«, fragte sie ironisch.
»Das haben wir vor«, hielt ihr Ben entgegen, sofort auf Kampf
aus. »Was dagegen?«
Neith ließ sich erst gar nicht auf Streitgespräche ein und
musterte Ben so, als wäre er ein lästiges Insekt. »Und ob, ich habe sogar eine
Menge
Weitere Kostenlose Bücher