Das Reich der Katzen (German Edition)
Sonne einen frustrierten
Blick zu. Schweißperlen glitzerten wie kleine Salzkristalle in seinem Fell.
»Kannst du nicht das Maul halten oder willst du jetzt wieder
einen von Valentins berühmt-berüchtigten Vorträgen hören, du Pappnase?« Twinky
stöhnte. »Danach steht mir nicht gerade der Sinn.«
»Hast du schon mal die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass wir
es aber vielleicht wissen möchten?«, schnauzte Ben sie an. Er hatte auch schon
mal bessere Laune gehabt. Das Erlebnis mit Lavina war selbst an ihm nicht
spurlos vorbeigegangen. Nachdem er Twinky noch einmal strafend angeblickt
hatte, suchte er Valentins Blick. »Was hältst du von einer kleinen Pause, mein
Freund? Und wenn du dann Lust hast ...«
»Erzähl ich euch etwas über das Land und den Fluss.«
»Eine blendende Idee«, tönte es von oben und Blackbird gab seinen
gefiederten Freunden das Zeichen, auf den Boden zu stoßen.
Sie rasteten im Schatten eines einsamen Baumes, der eine
gigantische Krone trug. Dort begann Valentin, ohne weitere Aufforderung zu
erzählen. Er sah Rocky an. »Du wolltest wissen, wie das Land hier heißt.« Er
hielt einige Sekunden inne. »Die Menschen nannten es Ägypten. Lange vor unserer
Zeit. Das Land war das Kind des Nils, des Flusses, dem wir folgen. Er bestimmte
das Leben der Menschen, aber auch der Götter, die eine wichtige Rolle spielten.
Es war und ist ein heiliges Land mit vielen Mythen, Zaubern und vor allem aber
beeindruckenden Grabbauten, in denen nicht nur Götter, sondern auch andere
wichtige Persönlichkeiten bestattet wurden. Schließlich waren es für sie auch
keine Gräber im herkömmlichen Sinne, sondern Häuser für die Ewigkeit. Deshalb
wurden die Leichname mit reichhaltigen Grabbeigaben bestattet. Aber auch schon
zu Lebzeiten wurden die Menschen, die hier lebten, durch ihre Kultur bestimmt.
Dabei hatten Tiere eine besondere Bedeutung. Sie standen den Göttern sehr nahe.
Die Ägypter vertraten sogar die Meinung, dass das Göttliche in Tiergestalt
auftritt. Wenn ein Brand ausbrach, versäumten sie es sogar oftmals das Feuer zu
löschen, weil sie auf ihre Katzen achteten. Kam eines der Tiere bei dem Brand
ums Leben, ergriff die Ägypter große Trauer. Und in den Häusern, in denen eine
Katze eines natürlichen Todes starb, schoren sich die Bewohner die Augenbrauen.
Die Katze war etwas Besonderes. Etwas Göttliches. Ihr zu dienen war eine große
Ehre.«
So wie Bastet, verstehst du endlich?, wisperte es in
Onisha, Bastet, die Katzengöttin. Was gibt es da groß zu verstehen fragte, sich
Onisha. Immerhin war ihr Bastet schon oft im Traum und leibhaftig erschienen.
Was sollte also der stimmliche Hinweis? Bevor sich Onisha darüber Gedanken
machen konnte, zischte es hinter ihrer Stirn weiter. Sachmet, Sachmet ...
Sachmet, Frau mit dem Löwenkopf, erhebe dein Haupt. Was sollte das nun
wieder? »Entscheide dich endlich«, murmelte sie erbost. »Wem soll ich nun
folgen? Wen soll ich suchen? Bastet oder Sachmet?«
»Was murmelst du da vor dich hin?«, wollte Blackbird wissen und
hüpfte neben Onisha.
»Ach, nichts«, wich die ihm aus. Sie fand es schon mehr als
komisch, dass die Krähe ihre Brüder verlassen hatte und sich neben den Katzen
mehr als tolpatschig auf dem Boden her bewegte, anstatt majestätisch durch die
Luft zu fliegen. Ihm jetzt auch noch ihre intimsten Gedanken zu offenbaren
widerstrebte ihr gewaltig.
Aber Blackbird gab so schnell nicht auf. »Willst du es mir nicht
verraten?«, bohrte er weiter. »Immerhin sitzen wir alle im selben Boot. Und da
kann es hinderlich, ja geradezu lebensbedrohlich sein, wenn wir uns etwas verschweigen.«
»Wie kommst du denn darauf, dass ich dir etwas verschweige?«, wich
Onisha ihm aus.
Wenn Krähen grinsen könnten, hätten sie so ausgesehen wie
Blackbird in diesem Moment. Er verzog das Gesicht zu einer Grimasse und öffnete
den Schnabel ein Stück. Klapperte dann einige Male geräuschvoll und sagte: »Das
sehe ich dir an der Nasenspitze an.«
Onisha gab einen undefinierbaren Laut von sich, der so ähnlich
wie »Pah!« klang. Da musste sich Blackbird aber schon etwas Besseres einfallen
lassen. So leicht wollte sie es ihm nicht machen.
Sie setzte den überheblichen Gesichtsausdruck auf, den sie
während ihrer Zeit in dem Penthouse ständig zur Schau getragen hatte. »Ich habe
an nichts Bestimmtes gedacht«, sagte sie. «Mir kamen nur Valentins Worte in den
Sinn. Besonders interessant fand ich die Schilderung der Götter, die den Tieren
so verbunden
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