Das Reich der Katzen (German Edition)
Knochen kroch. Kälte wie in einer steinernen Gruft.
Und genau genommen das war das Monument auch: ein Grab.
Valentin und der Dämon, der einmal Lavina gewesen war, umkreisten
einander. Wie zwei Raubtiere, die sich beäugten und zum Sprung bereit waren.
Der Dämon stieß gellende Laute aus. Onisha fühlte einen Strudel, der sie hinunterzog.
Die Stimme des satanischen Wesens bewirkte etwas in ihr. Und als sie ihre
Freunde anblickte, erkannte sie, dass es ihnen nicht anders ging. Etwas machte
sich in ihrem Kopf breit. In ihrem Denken. Verzweifelt versuchte sich Onisha
gegen die geistige Inbesitznahme zu wehren.
Der Dämon löste sich aus dem Blickkontakt mit Valentin und drehte
sich zu Onisha herum. Seine Gestalt war nur noch ein Zerrbild der schönen Frau,
die Lavina einst gewesen war. Ihre Konturen waren verzerrt und er hatte eindeutig
das Geschlecht gewechselt. Mit seiner Raubvogelkralle winkte er Onisha herbei
und sie merkte mit Entsetzen, dass sie hölzern wie eine willenlose Marionette
auf ihn zustakste. Als sie bis auf wenige Schritte an ihn herangekommen war,
streckte er die Krallenhand nach ihr aus und riss ihr mit einer blitzschnellen
Bewegung die Kette mit dem Lapis vom Hals. Bevor Onisha auch nur das Maul
öffnen konnte, hatte Valentin die Bewegung der Dämonenhand abgefangen und ihm
den Stein der Weisen wieder entrissen. »Jetzt weiß ich, wovor du Angst hast,
Wesen der Finsternis«, herrschte er den Dämon an. »Du befürchtest, dass deine
Macht schwindet, sich deine Magie verbraucht und du stirbst. Der Stein der
Weisen hätte dich davor bewahrt. Er und Onisha sind eine Bedrohung für dich. Du
hast immer größere Schwierigkeiten, geeignete Seelen zu finden. Nicht alle sind
so machtgierig wie Lavina, auch wenn das die hinlängliche Meinung der meisten
ist. Dir geht allmählich die Puste aus, Höllenwesen. Ist es so?« Valentin
lachte schaurig.
Die Augen des Dämons sprühten grüne Funken. »Du wagst es, so mit
mir zu reden?«, fragte er zornig. Seine dröhnende Stimme durchschnitt wie ein
Schwert die Luft. Aus seinen nüsterartigen Nasenlöchern traten kleine
schwefelige Dampfwölkchen hervor. Er wirkte wie ein wütender, dunkler Drache,
der kurz vor der Explosion stand. Valentin hielt den Stein der Weisen, der
wieder Lichtblitze aussandte, mit beiden Händen hoch. »Du Ausgeburt der Hölle,
verschwinde dorthin, wo du hergekommen bist. Wir wollen, nein, wir brauchen
dich nicht. Denn wir huldigen einem anderen Gott. Verschone uns also mit deinem
falschen Weltbild und mit den Abgründen der Unterwelt.«
Der Dämon riss sein geiferndes Maul auf und brüllte hasserfüllt.
Valentin hielt ihm unbeeindruckt den Lapis entgegen. Wie ein Priester das Kreuz
bei der Vertreibung des Bösen. Der Stein fing an zu glühen und seine Strahlen
drangen tief in den Dämon ein. Das Wesen mit den giftgrünen Augen stieß einen
markerschütternden Schrei aus, hob die krallenartigen Hände und sandte
Feuerstrahlen aus seinen Fingerspitzen gegen Valentin. Sie zischten um diesen
herum und die kleinen Schwelbrände, die sie auf der Kutte hervorriefen, konnte
Valentin nicht ersticken, weil er dazu den Stein der Weisen hätte fallen lassen
müssen. Er trat einen Schritt zur Seite und hielt den Lapis direkt in die
Feuerlinie, die der Dämon immer noch aussandte. Eine grelle Stichflamme erhob
sich zischend, dann flackerte und züngelte es.
Der Dämon schrie. Zornig, aber nicht ohne Angst.
Der Stein der Weisen pulsierte wie ein offen liegendes Herz,
wurde größer und größer und löste sich in eine wahre Flut von Energiepartikeln
auf, die mit einem Zischen in den Dämon schossen. Die Gestalt des Höllenwesens
fuhr zurück, als hätte eine Panzerfaust unbarmherzig zugeschlagen, erglühte,
erzitterte und zerbarst in aberhundert Teile.
Onisha und ihre Freunde schrien auf, als das teuflische Wesen in
sich zusammenfiel und Lavinas Gestalt sichtbar wurde. Die schöne Frau lag
zusammengekrümmt auf dem Erdboden und alterte vor ihren Augen in Sekundenschnelle
– blieb als weißhaarige Greisin dort liegen.
IM TAL DER KÖNIGINNEN
Eine Weile standen sie wie erstarrt da. Konnten nicht fassen, was
sich vor ihren Augen abgespielt hatte. Diese Urgewalt des Bösen war von der
reinen, göttlichen Kraft des Lapis zerstört worden. Doch auch er hatte dadurch
seine Bestimmung erfüllt und nun standen sie nicht mehr unter seinem Schutz.
Onisha bewegte noch eine andere Frage. »Wo ist eigentlich Kybele
geblieben?«
»Als wir aufgetaucht
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