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Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
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Nacken kraulte.
    Dank Ragnars unverhoffter Rückkehr entspannte sich die Stimmungslage rasch. Amelias Sorgenfalten hatten sich geglättet, und Eryn rief in die Runde: »Heute Abend können wir wirklich feiern!« Morquas zustimmendes Gebrüll hallte von den Wänden wider, und prompt fing die kleine Yara zu schreien an.
    Doch Timena war nicht wütend, sondern wandte sich der Bergkatze zu. »Geh lieber Maredd suchen, statt unschuldige kleine Tuavinn zu erschrecken.« Morquas gewaltiger Kopf drehte sich zu Eryn, und als diese nickte, sprang die Bergkatze davon.
    Nun brach Geschäftigkeit aus. Yaras Geburt und Ragnars Rückkehr sollten gefeiert werden. Während Taramin Früchte und Beeren sammelte und Amelia Brot buk, waren Targon und Aravyn auf die Jagd gegangen.
    Etwas unschlüssig stand Lena herum, doch da Ragnar in dem Augenblick mit frischen Kleidern aus der Höhle trat, ging sie zu ihm.
    »Zeig mal deinen Arm«, verlangte sie.
    »Ist nicht so schlimm«, behauptete er. Über seinen linken Unterarm hatte er nachlässig einen Stoffstreifen gelegt, der allerdings Flecken frischen Blutes aufwies.
    Sie nahm seine Hand und sah ihn eindringlich an. »Du würdest es doch sagen, wenn dich ein Rodhakan verletzt hätte!«
    »Das war aber nicht der Fall«, antwortete er abweisend. »Es war nur das Messer eines Menschen.«
    »Einer aus Crosgan?«
    »Ja, vermutlich. Er hat mich verwechselt, war völlig durcheinander.« Er verzog den Mund. »Du weißt, dass Menschen die Tuavinn nicht zu ihren Freunden zählen.«
    Lena nickte bedächtig. »Was ist los, Ragnar?«, fragte sie leise. »Du bist so … seltsam.«
    Er kniff die Lippen zusammen, vermied es sogar, sie anzusehen. »Ich bin müde, das ist alles.«
    War es Unsicherheit oder auch Verstörtheit, was da in seinen grauen Augen stand? Lena wusste es nicht.
    In diesem Moment kam Eryn mit einem hölzernen Tiegel und einen Trank, den sie Ragnar reichte. Anschließend löste sie den notdürftigen Verband. »Die Verletzung ist tief, Ragnar. Du hattest Glück, dass der Knochen nicht verletzt wurde!« Kopfschüttelnd betrachtete sie die klaffende Wunde. »Weshalb hast du keine Heilkräuter benutzt?«, schimpfte sie. »Du weißt doch, sie wachsen beinahe überall, jetzt hat sich die Wunde entzündet.«
    »Keine Zeit«, murmelte Ragnar, leerte Eryns Heiltrank in einem Zug und ließ seinen Kopf gegen die Höhlenwand sinken. Als Eryn die Wundränder mit zwei Holzstäben vorsichtig auseinanderbog und sie sich genauer besah, biss er sichtlich die Zähne zusammen. Instinktiv nahm Lena seine unverletzte Hand in ihre, in der Hoffnung, ihm irgendwie beistehen zu können, und Ragnar erwiderte den Druck. Lena wurde heiß und kalt gleichzeitig. Die Wunde war wirklich tief, an den Rändern gerötet, geschwollen und teilweise dunkelblau verfärbt.
    »Möchtest du nicht erzählen, was genau passiert ist?«, erkundigte sie sich, nachdem Eryn endlich seinen Arm verbunden und Ragnar eine ganze Weile mit geschlossenen Augen an der Höhlenwand gelehnt hatte, ohne ein Wort zu sagen.
    Er drehte seinen Kopf zu ihr, die silbernen Punkte in seinen Augen glitzerten, doch heute bekam Lena eine Gänsehaut davon.
    »Gut«, meinte sie, als er nach wie vor kein Wort über die Lippen brachte. »Wenn du es dir anders überlegst – ich bin da.«
    Stumm sah er sie an, und Lena wollte sich erheben, doch seine Finger schlossen sich überraschenderweise um ihre, bevor er kaum merklich nickte und sie losließ. Kurz betrachtete sie ihn und verließ schließlich die Höhle, denn sie brauchte frische Luft.
    Die Sonne hatte den meisten Nebel vertrieben, nur hier und da hing er noch zwischen den Sträuchern und Felsen. Kleine Wassertropfen funkelten in der Sonne wie zahllose winzige Diamanten. Eryn strich gerade mit den Händen über Blumen und Sträucher hinweg. Hin und wieder pflückte sie eine, eine andere ließ sie stehen.
    »Man spürt, ob die Pflanzen bereit dazu sind, ihren Platz in Elvancor zu verlassen«, erklärte die Tuavinn, ohne sich zu Lena umzudrehen. Offenbar hatte sie ihre leisen Schritte bemerkt.
    Lena konnte sich das kaum vorstellen. Bislang hatte sie selten Blumen gepflückt, und wenn, dann ohne sich darüber Gedanken zu machen.
    »Versuch dich in die Blume oder die Ranke hineinzuversetzen«, forderte Eryn sie auf und zog dabei sachte an einer Efeuranke, die um den Stamm einer mächtigen Eiche wuchs. Wie von Zauberhand löste sich ein langer Strang und fiel zu Boden. »Alles besitzt einen Geist oder eine Seele,

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