Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reich der Schatten

Das Reich der Schatten

Titel: Das Reich der Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aileen P. Roberts
Vom Netzwerk:
mit grauen Haaren, mit seinem jugendlichen Gesicht hingegen war das ungewöhnlich. Auf keinen Fall jedoch durften sie seine Tätowierungen sehen. Während der letzten Tage hatte er die Haare darüber nicht mehr rasiert, um sich so gut wie möglich zu tarnen. Dennoch würden ihn die verschlungenen Linien, die noch immer hindurchschimmerten, als einen Tuavinn zu erkennen geben. Es war zwar von Vorteil, dass er nicht so groß war wie die reinblütigen Tuavinn. Doch wenn die Wache ihn zwang …
    Weitere Überlegungen blieben Ragnar erspart, denn der Torwächter winkte ihn weiter, und so trat er unter das mächtige Holztor. Auf einmal schien irgendetwas nach seiner Kehle zu greifen, ihm die Luft abzudrücken. Er keuchte auf, schwankte und hielt sich an dem Karren der Alten fest. Dieses Gefühl hatte er schon einmal gehabt. Damals, als ihn der Pfeil des Rodhakan getroffen hatte.
    Verdammt, aber mich hat doch niemand angeschossen.
    Die Bäuerin sah ihn schon kritisch von der Seite her an, und so zwang er sich, einen Fuß vor den anderen zu setzen. Nachdem er endlich auf den Platz hinter der Stadtmauer trat, war dieses seltsame Gefühl wie von Geisterhand verschwunden.
    Verwirrt sah Ragnar über die Schulter, wobei er sich den Hals rieb. Was sollte das eben gewesen sein? Ein Schutzzauber, der den Tuavinn Einlass verwehrte?
    Aber jetzt schritt er den Berg hinauf und wollte versuchen, sich möglichst unauffällig nach Lena umzuhören, und er wusste auch schon, zu wem er gehen wollte.

Kapitel 6
    Das Triadenfest
    A uf der Weiterreise zur Fürstenstadt Ceadd war Lena ausgesprochen angespannt, und auch an den Gesichtern der Wächter konnte sie ablesen, wie ernst die Lage war. Selbst Ruven tat sich nicht mehr durch übertriebene Gesten hervor, sondern ritt aufmerksam Patrouille.
    Nachdem sie den ausgedehnten See Linnron hinter sich gelassen hatten, führte die Straße weitgehend durch offenes Land. Kian erklärte unterwegs, seine Vorfahren hätten in mühevoller Arbeit das Land gerodet. Und auch wenn diese Arbeiten von Erfolg gekrönt waren, so sah man doch überall, wie sich Haine ihren Platz zurückerobert hatten und Büsche wieder bis zur Straße herangewuchert waren. Lena ahnte, dass diese Rodungen den Tuavinn ein Dorn im Auge waren, erwähnte das jedoch besser nicht.
    Am sechsten Tag ihrer Reise regnete es, ein strammer Wind peitschte das Wasser in dichten Schleiern über das Land. Über die meisten Wagen waren Planen gezogen worden, und auch Lena saß mit Kian unter diesem willkommenen Schutz. Geschossen gleich donnerten die Regentropfen gegen die Plane aus Tierhaut. Lena war verwundert darüber, wie gut diese dicht hielten, denn selbst nach einem halben Tag zeigten sich keine Pfützen im Inneren des Wagens. Sturmböen zerrten an den Fuhrwerken, und sie hatte Mitleid mit den Pferden, die sich stoisch ihren Weg durch den matschigen Untergrund bahnen mussten.
    »Die Sturmgeister werden die Regenwolken bald vertrieben haben«, behauptete Kian. Er saß mit angewinkelten Beinen an die Wand gelehnt und schnitzte an einem Holzpfeil herum.
    »Die Sturmgeister – na klar.« Lena musste grinsen, aber offenbar meinte Kian es ernst.
    »Sieh doch hinaus.«
    Skeptisch runzelte Lena die Stirn, dann schob sie die Plane ein Stück beiseite und spähte ins Freie. Heftig schlug ihr das Wasser entgegen, als sie sich über den Rand des Wagens beugte, und sie schimpfte, weil sie sofort nass wurde. Sie wollte den Kopf schon zurückziehen, hielt jedoch inne, lehnte sich sogar weiter hinaus – und wäre um ein Haar kopfüber auf die Straße gestürzt. Über ihr bot sich ein beeindruckendes Schauspiel, und auch wenn der Schlamm nur so spritzte, als Lena aus dem Wagen sprang, konnte sie doch nicht anders und blieb neben der Straße stehen. Keine zwei Atemzüge später stand Kian neben ihr. Offensichtlich war es ihr ungläubiges Gesicht, über das er nun lachen musste. Die weißen Wolken am Himmel hatten sich zu einem gewaltigen Drachen geformt, dessen Schwingen ganz Elvancor zu umfassen schienen. Ihm gegenüber befand sich eine Wolkenwand, grau und teilweise sogar schwarz, und bauschte sich zu einer undurchdringlich wirkenden Mauer auf. Jetzt öffnete der weiße Drache sein Maul, ein mächtiger Sturmwind erhob sich, und dort, wo sein imaginärer Atem hervortrat, wurden die Wolken zurückgedrängt, und blauer Himmel zeigte sich. Die dunkle Wolkenwand stemmte sich jedoch dagegen, waberte vor, doch kurz darauf zerbarst sie in Tausende Wolkenfetzen. Die

Weitere Kostenlose Bücher