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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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die Spitzen scharfer Klingen, der Mond war noch nicht aufgegangen.
    »Wir leben in einer Wolke«, antwortete sie. »Unser ganzes Leben lang.«
    Baudin grunzte. »Das ist das Geschwätz einer Durhang-Süchtigen.«
    »Hab gar nicht gewusst, dass du so witzig sein kannst«, sagte Heboric zu dem Hünen.
    Baudin schwieg. Felisin grinste in sich hinein. Der Schläger würde für den Rest der Nacht nicht mehr allzu viel sagen. Er konnte nicht gut damit umgehen, wenn man ihn verspottete. Das muss ich mir merken, falls er wieder einmal zurechtgestutzt werden muss.
    »Ich entschuldige mich, Baudin«, sagte Heboric wenige Augenblicke später. »Ich war von dem, was Felisin gesagt hat, gereizt, und ich habe es an dir ausgelassen. Mehr noch, ich habe an dem Scherz Gefallen gefunden, auch wenn er nicht beabsichtigt war.«
    »Gib's auf«, sagte Felisin seufzend. »Manchmal kann ein Maultier seine schlechte Laune abschütteln, aber man kann es nicht erzwingen.«
    »Dann ist also die Schwellung deiner Zunge verschwunden, das Gift jedoch geblieben«, meinte Heboric.
    Sie zuckte zusammen. Wenn du wüsstest, wie Recht du damit hast.
    Rhizan flatterten über die rissige Oberfläche der Trockenpfanne; die geflügelten Echsen waren jetzt, da sie die hirnlosen Käfer hinter sich gelassen hatten, ihre einzigen Gefährten. Seit der Nacht, als die Dosii rebelliert und sie den Abteufer-See durchschwommen hatten, hatten sie niemanden mehr gesehen. Statt lautem Alarmgeschrei und wilder Verfolgung hatte ihre Flucht überhaupt keine Folgen gehabt. Für Felisin machte es das Drama jener Nacht im Rückblick auf eine gewisse Weise erbärmlich. Bei all ihrer Wichtigtuerei waren sie doch nichts als Sandkörner in einem Sturm, der ihr Begriffsvermögen bei weitem überstieg. Der Gedanke gefiel ihr.
    Andererseits gab es allerdings auch Grund zur Sorge. Wenn der Aufstand auf das Festland übergegriffen hatte, war es gut möglich, dass sie zwar die Küste erreichen, dort jedoch sterben würden, während sie auf ein Boot warteten, das niemals kommen würde.
    Sie gelangten an einen niedrigen, gezackten Grat aus Felsgestein, der im Licht der Sterne silbrig schimmerte und wie die Rückenwirbel einer gigantischen Schlange aussah. Dahinter erstreckte sich eine wellenförmige Sandfläche. Vielleicht fünfzig Fuß voraus erhob sich etwas aus den Dünen, abgewinkelt wie ein gekippter Baum oder eine Marmorsäule, doch als sie näher herankamen, konnten sie sehen, dass das Ding stumpf und gekrümmt war.
    Ein Wind, der aus keiner bestimmten Richtung kam, ließ die Sandkörner rascheln; er wand sich hierhin und dorthin, als befände er sich im Gefolge eines von einer Spinne gebissenen Tänzers. Sandwirbel streichelten ihre Schienbeine, als sie weitergingen. Es zeigte sich, dass die gebeugte Säule – oder was auch immer es sein mochte – weiter weg war, als Felisin zuerst angenommen hatte. Als sie begriff, wie groß sie tatsächlich war, stieß sie zischend die Luft zwischen den zusammengebissenen Zähnen aus.
    »Stimmt«, flüsterte Heboric zur Antwort.
    Das Ding war keineswegs fünfzig Schritt entfernt. Eher schon fünfhundert. Das vom Wind unscharf gemachte Gelände hatte sie getäuscht. Die Senke war nicht einfach ein flaches Stück Land, sondern ein riesiges, sanft abfallendes Gebiet, wobei das Gelände um das Objekt herum wieder anstieg. Eine Woge der Benommenheit folgte dieser Feststellung.
    Als sie den Monolithen schließlich erreichten, war über dem südlichen Horizont bereits die Sichel des Mondes zu sehen. In unausgesprochener Übereinstimmung ließen Baudin und Heboric ihre Rucksäcke fallen. Der Schläger hockte sich hin und lehnte sich gegen den Packen, den er die ganze Nacht getragen hatte; ihn schien das stumme Bauwerk, das sich über ihm auftürmte, nicht weiter zu kümmern.
    Heboric holte die Laterne und das Feuerkästchen aus seinem Rucksack. Er blies auf die gehorteten Kohlen, zündete dann eine Wachskerze an, die er wiederum dazu benutzte, den dicken Docht der Laterne in Brand zu setzen. Felisin unternahm keinen Versuch, ihm zu helfen, sondern sah stattdessen fasziniert zu, wie er diese Aufgabe mit einer Gewandtheit erledigte, die die scheinbare Unbeholfenheit der vernarbten Stümpfe an seinen Handgelenken Lügen strafte.
    Schließlich schob er einen Unterarm unter den Griff der Laterne, stand auf und trat näher an den dunklen Monolithen heran.
    Fünfzig Mann, die sich an den Händen hielten, hätten seine Basis nicht umspannen können. Die

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