Das Reich der Sieben Städte
menschlicher Natur hatte eine schlechte Meinung von eben dieser Natur. Er würde über ihre Vorstellung von Schicksal lachen, und ihre Überzeugung, dass der Traum sehr wohl etwas Greifbares bot, würde ihm nur einen Anlass geben, seine Verachtung zu äußern. Nicht, dass er wirklich einen Anlass brauchen würde. Ich hasse mich, aber er hasst alle anderen. Wer von uns beiden hat wohl mehr verloren?
Als sie aufwachte, fühlte sie sich wie zerschlagen, ihr Mund war völlig ausgedörrt, und sie hatte den Geschmack von Rost auf der Zunge. Die Luft war schlierig, und ein düsteres graues Licht sickerte durch die Zeltleinwand. Sie hörte Geräusche von draußen – ein kurzes Murmeln von Heboric, Baudins gegrunzte Antwort, das Rascheln von Stoff. Ihre Gefährten packten zusammen. Felisin schloss die Augen, versuchte, den gleichmäßig dahinfließenden Fluss wieder zurückzuholen, der sie durch den Schlaf getragen hatte, doch er war fort.
Sie setzte sich auf, stöhnte, als jedes Gelenk protestierte. Sie wusste, dass es ihren beiden Begleitern genauso ging. Heboric vermutete irgendeinen Ernährungsmangel als Ursache, aber er konnte nicht sagen, was genau ihnen fehlte. Sie hatten getrocknete Früchte, in Streifen geschnittenes geräuchertes Maultierfleisch und eine Art Dosii-Brot, dunkel und so hart wie Backstein.
Mit schmerzenden Muskeln kroch sie aus dem Zelt in die kühle Abendluft. Die beiden Männer saßen da und aßen, die Packen mit den Rationen lagen um sie herum. Es war nicht mehr viel übrig,mit Ausnahme des Brotes, das salzig war und furchtbar durstig machte. Heboric hatte versucht, darauf zu bestehen, dass sie das Brot als Erstes aßen, während der ersten paar Tage, solange sie noch kräftig und noch nicht ausgetrocknet waren; doch weder sie noch Baudin hatten auf ihn gehört, und aus irgendeinem Grund hatte er die Idee bei der nächsten Mahlzeit aufgegeben. Felisin erinnerte sich, dass sie ihn damit aufgezogen hatte. Du hast wohl keine Lust, deine eigenen Ratschläge zu befolgen, was, alter Mann ? Doch der Rat war gut gewesen. Sollten sie die von Salzwasser umspülte tödliche Küste erreichen, würden sie nichts anderes mehr zu essen haben als womöglich noch salzigeres Brot – und nur noch wenig Wasser, um ihren Durst zu stillen.
Vielleicht haben wir deshalb nicht zugehört, weil keiner von uns beiden daran geglaubt hat, dass wir jemals die Küste erreichen würden. Vielleicht ist Heboric nach der ersten Mahlzeit zu dem gleichen Schluss gekommen. Allerdings – ich habe zugegebenermaßen nicht so weit vorausgedacht. Es war nicht das weise Hinnehmen der Sinnlosigkeit all unserer Bemühungen. Ich habe mich einzig und allein aus Gehässigkeit über den Ratschlag lustig gemacht und ihn ignoriert. Was Baudin anging, nun, Verbrecher mit Verstand waren ungewöhnlich, und er war alles andere als ungewöhnlich.
Sie gesellte sich zu ihren Gefährten, um zu frühstücken, ignorierte ihre Blicke, als sie einen zusätzlichen Schluck von dem lauwarmen Wasser nahm, um das geräucherte Fleisch hinunterzuspülen.
Als sie fertig war, packte Baudin die Nahrungsmittel um.
Heboric seufzte. »Was sind wir nur für ein Trio!«, sagte er.
»Du meinst die Abneigung, die wir einander entgegenbringen?«, fragte Felisin und zog eine Augenbraue in die Höhe. »Das sollte dich eigentlich nicht überraschen, alter Mann«, fuhr sie dann fort. »Falls du es noch nicht bemerkt haben solltest – wir sind alle drei auf eine gewisse Weise gebrochen. Stimmt's etwa nicht? Die Götter wissen, dass du dich oft genug über die Tatsache, dass ich in Ungnade gefallen bin, ausgelassen hast. Und Baudin ist nichts anderes als ein Mörder – er kommt ohne jeden Gedanken an Brüderlichkeit aus, und außerdem ist er ein Maulheld, was bedeutet, dass er tief in seinem Inneren ein Feigling ist...« Sie warf ihm einen Blick zu; er hockte bei den Rucksäcken und blickte sie ausdruckslos an. Felisin schenkte ihm ein zuckersüßes Lächeln. »Stimmt's nicht, Baudin?«
Er sagte nichts, doch während er sie musterte, glaubte sie die Andeutung eines Stirnrunzelns zu erkennen.
Felisin wandte ihre Aufmerksamkeit wieder Heboric zu. »Deine Fehler sind offensichtlich genug – so offensichtlich, dass man sie nicht einmal mehr erwähnen muss.«
»Spar dir deinen Atem, Schätzchen«, murmelte der ehemalige Priester. »Ich brauche kein fünfzehnjähriges Mädchen, das mir meine Fehler vorhält.«
»Warum hast du die Priesterschaft verlassen, Heboric ? Ich
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