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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Coltaine brachte ihn mit einem gezischten Fluch sofort zum Schweigen.
    Das reichte. Stille senkte sich auf den Raum herab. Von draußen erklang das Quietschen von Wagenrädern.
    Bult seufzte. »Das Sprachrohr allein reicht anscheinend nicht.«
    Einen Augenblick später öffnete sich die Tür, und zwei Männer betraten den Raum. Der, der voranging, trug einen fleckenlosen Umhang aus hellblauem Brokat. Was für Muskeln er auch immer in seiner Jugend gehabt haben mochte, sie hatten sich in Fett verwandelt, und dieses Fett war in drei Monaten verzweifelter Flucht dahingewelkt. Sein Gesicht erinnerte an eine zerknautschte Ledertasche; nichtsdestotrotz strahlte er eine fast spürbare Kühle aus, in die sich zusätzlich noch ein Hauch empörter Entrüstung mischte. Der Mann, der ihm folgte, trug ebenfalls feine Gewänder, die allerdings von Staub und Schweiß in mehr oder weniger formlose Säcke verwandelt worden waren und um seine dürre Gestalt schlotterten. Er war kahl, und seine fleckige Kopfhaut zeugte von mehr als einem Sonnenbrand. Er schaute die Anwesenden aus tränenden Augen an, die fast unaufhörlich blinzelten.
    Der erste Adlige ergriff das Wort. »Der Rat hat erst verspätet von dieser Versammlung erfahren ...«
    »Und außerdem inoffiziell«, murmelte Bult trocken.
    Der Adlige fuhr nach einer winzigen, kaum merklichen Pause fort. »Bei solchen Besprechungen geht es zum größten Teil um militärische Fragen, und der Rat hat keineswegs die Absicht, sich in derartige Angelegenheiten einzumischen – die Himmel mögen uns behüten! Andererseits sind wir die Repräsentanten der beinahe dreißigtausend Flüchtlinge, die mittlerweile hier versammelt sind, und wir haben eine Liste von ... Anliegen zusammengestellt, die wir Euch gerne übergeben würden.«
    »Ihr repräsentiert ein paar Tausend Adlige«, sagte Hauptmann Lull, »und somit vor allem Eure eigenen Interessen – die der Vermummte holen soll! Die anderen sind Euch doch völlig gleichgültig, Nethpara. Spart Euch also Euer frommes Gebaren für die Latrinen.«
    Nethpara ließ sich nicht dazu herab, auf den Kommentar des Hauptmanns zu reagieren. Er hielt den Blick fest auf Coltaine gerichtet, wartete auf eine Antwort.
    Die Faust ließ nicht das geringste Anzeichen erkennen, dass sie vorhatte, eine zu geben. »Such die Sappeure, Onkel«, sagte er zu Bult. »Die Wagen werden in einer Stunde mit der Überquerung beginnen.«
    Der wickanische Veteran nickte bedächtig.
    »Wir haben erwartet, uns in dieser Nacht ausruhen zu können«, sagte Sulmar stirnrunzelnd. »Wir sind alle völlig am Ende ...«
    »In einer Stunde«, knurrte Coltaine. »Als Erstes die Wagen mit den Verwundeten. Ich will, dass mindestens vierhundert drüben sind, wenn der Morgen anbricht.«
    Noch einmal meldete sich Nethpara zu Wort. »Bitte, Faust, überdenkt die Reihenfolge bei der Überquerung noch einmal. Wenn auch der Gedanke an die verwundeten Soldaten mir beinahe das Herz bricht, ist es doch Eure Pflicht, die Flüchtlinge zu schützen. Mehr noch, es wird von vielen im Rat als Affront angesehen werden, dass das Vieh den Fluss noch vor den unbewaffneten Zivilisten aus dem Imperium überqueren wird.«
    »Und was ist, wenn wir das Vieh verlieren?«, fragte Lull den Adligen. »Ich nehme an, ihr würdet dann die Kinder, die ihre Eltern verloren haben, am Spieß rösten.«
    Nethpara lächelte resignierend. »Ah, ja, die Sache mit den verringerten Rationen ist ebenfalls ein Punkt auf unserer Liste. Wir wissen aus sicherer Quelle, dass die Rationen für die Soldaten der Siebten keinen derartigen Einschränkungen unterliegen. Vielleicht könnte man über eine etwas ausgewogenere Verteilungsmethode nachdenken? Es ist sehr schwierig, zuzusehen, wie die Kinder darben.«
    »Sie haben alle etwas weniger Fleisch auf den Knochen, was?« Lulls Gesicht war rot vor kaum noch gezügelter Wut. »Ohne vernünftig genährte Soldaten zwischen Euch und den Tithansi werden Euch Eure Mägen in kürzester Zeit um die Knie baumeln.«
    »Schafft sie hier raus«, sagte Coltaine.
    Der zweite Adlige räusperte sich. »Wenn Nethpara auch für die Mehrheit des Rates spricht, so wird seine Sicht der Dinge doch nicht von allen mitgetragen.« Der alte Mann ignorierte den düsteren Blick, den sein Begleiter ihm zuwarf, und fuhr fort: »Ich bin nur aus Neugier hier. Da sind zum Beispiel die Wagen mit den Verwundeten – mir scheint, es sind viel mehr Verwundete, als ich bisher geglaubt hatte: Die Wagen sind wirklich überfüllt,

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