Das Reich der Sieben Städte
und es sind insgesamt fast dreihundertfünfzig. Vor zwei Tagen hatten wir noch siebenhundert verwundete Soldaten, und dafür haben wir etwa hundertfünfundsiebzig Wagen gebraucht. Seither hat es zwei kleinere Scharmützel gegeben, doch wir benötigen jetzt doppelt so viele Wagen, um die Verwundeten zu transportieren. Außerdem sind auf sämtlichen Wagen die Sappeure herumgekrochen, haben alle anderen fern gehalten – das ist so weit gegangen, dass selbst die Feldscher ihre Arbeit nicht mehr ungehindert verrichten konnten. Was genau wird hier eigentlich gespielt?«
Schweigen herrschte im Raum. Duiker sah, dass die beiden Hauptmänner der Siebten verdutzte Blicke wechselten. Sulmars verwirrter Gesichtsausdruck war fast schon komisch, während er in Gedanken noch einmal die Einzelheiten durchging, die der alte Mann aufgezählt hatte. Nur die Wickaner schienen ungerührt.
»Wir haben die Verwundeten besser verteilt«, sagte Bult. »Und die Seitenwände verstärkt...«
»Ah, ja«, sagte der Adlige und machte eine Pause, um seine wässrigen Augen mit einem grauen Taschentuch abzutupfen. »Das habe ich zuerst auch gedacht. Aber warum sinken die Wagen jetzt auf einmal so tief im Schlamm ein?«
»Ist das wirklich nötig, Tumlit?«, fragte Nethpara wütend. »Ihr mögt von solchen technischen Feinheiten fasziniert sein, aber der Vermummte weiß, dass Ihr mit dieser Neigung allein dasteht. Wir haben die Position des Rates in einigen lebenswichtigen Fragen diskutiert. Solche Abschweifungen kann ich nun wirklich nicht dulden ...«
»Onkel«, sagte Coltaine.
Grinsend packte Bult beide Adligen an den Armen und führte sie mit festem Griff zur Tür. »Wir müssen die Überquerung eines Flusses planen«, sagte er. »Da sind solche Abschweifungen nicht willkommen.«
»Aber was ist mit den Steinmetzen und ...«, versuchte Tumlit es ein letztes Mal.
»Raus mit euch, alle beide!« Bult stieß sie vorwärts. Nethpara war klug genug, die Tür gerade noch rechtzeitig zu öffnen, als der Kommandeur ihnen einen letzten Stoß gab. Die beiden Adligen stolperten hinaus.
Auf ein Nicken von Bult hin zog der Wachposten die Tür von außen wieder zu.
Lull rollte die Schultern unter dem Gewicht seines Kettenhemds. »Gibt es irgendetwas, das wir wissen sollten, Faust?«
»Ich mache mir Sorgen über die Tiefe dieser Furt«, sagte Chenned, nachdem klar war, dass Coltaine nicht auf Lulls Frage antworten würde. »Die Überquerung wird sich ziemlich lang hinziehen; es gibt zwar keine starke Strömung, aber mit Schlamm unter den Füßen und bei viereinhalb Fuß Wassertiefe wird sich niemand besonders schnell bewegen können. Nicht einmal auf einem Pferd.« Er warf Lull einen Blick zu. »Es wird nicht besonders angenehm werden, während des Rückzugs kämpfen zu müssen.«
»Ihr kennt eure Positionen und eure Aufgaben«, sagte Coltaine.
Er drehte sich zu Sormo um, musterte zunächst den Waerloga und dann die Kinder, die hinter ihm aufgereiht waren, aus zusammengekniffenen Augen. »Jeder von euch wird einen Waerloga haben«, sagte er zu seinen Offizieren. »Alle Nachrichten werden durch sie übermittelt. Das war's. Die Besprechung ist beendet.«
Duiker schaute zu, wie die Offiziere und die Kinder hinausgingen, bis nur noch Bult, Sormo und Coltaine übrig waren.
Der Waerloga zauberte anscheinend aus dem Nichts einen Krug herbei, den er der Faust reichte. Coltaine nahm einen Schluck und reichte den Krug dann an Duiker weiter. Die Augen der Faust glitzerten. »Historiker, Ihr habt uns allerhand zu erzählen. Ihr wart mit Kulp, dem Magier der Siebten, unterwegs. Ihr seid nur wenige Stunden, bevor der Aufstand losgebrochen ist, mit ihm davongeritten. Sormo kann den Mann jedoch nicht finden – nirgends. Ist er tot?«
»Ich weiß es nicht«, antwortete Duiker wahrheitsgetreu. »Wir wurden getrennt.« Er nahm ebenfalls einen Schluck aus dem Krug, dann starrte er überrascht in das Gefäß. Gekühltes Bier — wo hat Sormo das herbekommen? Er warf dem Waerloga einen Blick zu. »Habt Ihr mit Hilfe Eures Gewirrs nach Kulp gesucht?«
Der junge Mann verschränkte die Arme. »Ein paar Mal«, antwortete er. »In letzter Zeit allerdings nicht mehr. Die Gewirre sind ... schwierig geworden.«
»Welch ein Glück für uns«, sagte Bult.
»Ich verstehe nicht recht.«
Sormo seufzte. »Erinnert Ihr Euch an das Ritual, das wir abgehalten haben, Historiker ? Die Heimsuchung durch die Vielwandler und Wechselgänger? Sie machen mittlerweile jedes Gewirr unsicher
Weitere Kostenlose Bücher