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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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rief den Tapu herbei, hob dabei eine Hand, um die Aufmerksamkeit des Mannes auf sich zu lenken. Der Händler kam schnell näher.
    »Ziege, ich schwöre es!«, rief der Mann laut in dem Debrahl-Dialekt, der entlang der Küste gesprochen wurde. »Das ist Ziege, kein Hund, Dosii! Riecht selbst daran, und bedenkt, dass diese hervorragende Kost nur einen kleinen Schnipsel kostet! Würdet Ihr so etwas in Dosin Pali auch so günstig bekommen?«
    Duiker war in den Ebenen von Dal Hon geboren worden, und seine Haut war genauso dunkel wie die der hier ansässigen Debrahl. Er trug eine Telaba, den See-Umhang der Händler aus der Inselstadt Dosin Pali, und er sprach die Sprache ohne die Spur eines Akzents. Duiker grinste angesichts der Behauptung des Tapu. »Hundefleisch schon, Tapuharal.« Er fischte zwei hiesige Halbmonde aus der Tasche – den Gegenwert eines Basis-Schnipsels der imperialen Silber-Jakata. »Und wenn du glaubst, dass die Mezla auf der Insel freigiebiger mit ihrem Silber umgehen, dann bist du ein Narr oder Schlimmeres!«
    Nervös um sich blickend, ließ der Tapu eine Scheibe tropfendes Fleisch und zwei weiche, bernsteinfarbene, runde Früchte von einem der Spieße gleiten und wickelte sie in Blätter ein. »Hütet Euch vor den Spionen der Mezla, Dosii«, murmelte er. »Worte können verdreht werden.«
    »Worte sind ihre einzige Sprache«, erwiderte Duiker in geringschätzigem Tonfall, als er das Essen entgegennahm. »Stimmt es tatsächlich, dass jetzt ein narbiger Barbar die Armee der Mezla kommandiert?«
    »Ein Mann mit dem Gesicht eines Dämons, Dosii.« Der Tapu wiegte den Kopf. »Selbst die Mezla fürchten ihn.« Er schob seine Halbmonde in die Tasche und ging weiter, hob dabei die Spieße erneut hoch über den Kopf. »Ziege, kein Hund!«
    Duiker fand ein Stück freie Zeltplane, gegen die er sich lehnen konnte, und beobachtete die Menge, während er rasch und hastig – ganz in der Art der Einheimischen – sein Mahl verzehrte. Jede Mahlzeit ist deine letzte. Mit diesem Ausspruch beschäftigt sich ein ganzer Zweig der Philosophie im Reich der Sieben Städte. Sein Gesicht war verschmiert, und von den Fingern tropfte das Fett, als der Historiker die Blätter vor sich auf den schmutzigen Fußboden fallen ließ und dann in einer rituellen – und mittlerweile für ungesetzlich erklärten – Geste der Dankbarkeit gegenüber einem Falah'd, dessen Knochen im Schlamm der Bucht von Hissar verrotteten, mit der Hand kurz seine Stirn berührte. Seine Augen richteten sich auf einen Kreis alter Männer hinter den Spielern, und während er sich die Hände an den Oberschenkeln abwischte, ging er zu ihnen hinüber.
    Sie hatten sich um einen Kreis der Jahreszeiten versammelt, in dem zwei Seher einander gegenüberstanden und mittels eines komplizierten Gebärdentanzes in einer symbolischen Sprache der Weissagung sprachen. Als er sich in den Kreis der Zuschauer drängte, konnte Duiker die beiden Seher im Kreis besser erkennen, einen alten Schamanen, dessen silberner Bart und die Narben auf seinen Wangen deutlich machten, dass er zum Stamm der Semk gehörte und somit weit aus dem Landesinnern kam. Ihm gegenüber stand ein Junge von vielleicht fünfzehn Jahren. Wo sich die Augen des Jungen hätten befinden müssen, waren nur noch zwei leere Höhlen voll schlecht verheiltem Narbengewebe. Seine dünnen Arme und Beine und sein aufgeblähter Bauch deuteten auf Unterernährung im fortgeschrittenen Stadium hin. Duiker begriff instinktiv, dass der Junge während des Eroberungsfeldzugs der Malazaner seine Familie verloren hatte und jetzt in den Gassen und Straßen von Hissar lebte. Er war von den Organisatoren des Kreises entdeckt worden, denn es war allgemein bekannt, dass sich die Götter solcher leidender Seelen bedienten, wenn sie sprechen wollten.
    Die gespannte Stille unter den Zuschauern verriet Duiker, dass in dieser Weissagung Macht lag. Obwohl er blind war, bewegte sich der Junge so, dass er dem Semk-Seher – der seinerseits, ohne einen Laut von sich zu geben, über einen mit weißem Sand bestreuten Boden tanzte – immer das Gesicht zuwandte. Sie hielten die Hände ausgestreckt und einander entgegengereckt und malten Muster in die Luft.
    Duiker stieß den Mann neben sich an. »Was ist vorhergesagt worden?«, flüsterte er.
    Der Mann, ein untersetzter Einheimischer, der auf den Wangen die Narben eines alten Hissar-Regiments trug, die jetzt hinter Brandwunden mehr schlecht als recht verborgen waren, zischte warnend durch die

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