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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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ungläubiger Ausdruck trat in seine Augen. »Du warst was?«
    »Ich wurde vor dem Fener-Kloster auf Malaz gefunden – die Imperatrix hat Anklage erhoben – die Anhänger Feners ... Heboric...«.
    »Das Schiff, das dich gebracht hat, ist aus Unta gekommen, Schätzchen. Wofür hältst du mich? Du bist eine Adlige ...«
    »Nein! Man hat einfach immer nur gut für mich gesorgt. Bitte, Beneth, ich lüge dich nicht an. Ich verstehe nicht, was mit Sawark los war. Vielleicht hat Baudin eine Geschichte erfunden, vielleicht hat er gelogen, um seine eigene Haut zu retten ...«
    »Das Schiff, das dich an Bord hatte, ist direkt aus Unta gekommen. Du bist noch nie auf der Insel Malaz gewesen. Dieses Kloster, bei welcher Stadt liegt es?«
    »Bei Jakata. Es gibt nur zwei Städte auf der Insel. Die andere ist Malaz, die Stadt Malaz. Ich bin für einen Sommer dort hingeschickt worden. In die Schule. Ich sollte zur Priesterin ausgebildet werden. Frag doch Heboric, Beneth. Bitte.«
    »Sag mir, wie das ärmste Viertel von Malaz heißt.«
    »Das ärmste ... ?«
    »Du sollst mir sagen, wie es heißt!«
    »Ich weiß es nicht! Der Fener-Tempel ist im Hafenviertel! Ist das das ärmste? Vor der Stadt, entlang der Straße nach Jakata, war ein Elendsviertel. Ich war nur einen Sommer lang da, Beneth! Und ich habe kaum etwas von Jakata gesehen – es war uns nicht gestattet! Bitte, Beneth, ich verstehe überhaupt nicht, was hier vorgeht! Warum tust du mir weh ? Ich habe alles getan, was du von mir verlangt hast – ich habe mit deinen Freunden geschlafen, ich habe mich von dir verschachern lassen, ich habe dafür gesorgt, dass ich wertvoll bin ...«
    Er schlug sie erneut. Er suchte nicht länger nach Antworten, nach einer bestimmten Erkenntnis in all ihren verzweifelten Lügen – ein neuer Grund war in seinen Augen erschienen, brachte einen flammenden Zorn hervor. Er verprügelte sie systematisch, in stummer, kalter Wut. Nach den ersten Schlägen krümmte Felisin sich eng um den Schmerz zusammen, und der kühle, im Schatten liegende Staub der Gasse war wie Balsam, wo ihr Körper mit ihm in Berührung kam. Sie konzentrierte sich verzweifelt auf ihren Atem, widmete sich nur dieser einen Aufgabe, sog die Luft ein, kämpfte gegen die Wogen des Schmerzes an, die diese Anstrengung begleiteten, und stieß sie dann langsam wieder aus, wie einen steten Strom, der den Schmerz mit sich forttrug.
    Irgendwann bemerkte sie, dass Beneth aufgehört hatte, sie zu schlagen, dass er sie vielleicht überhaupt nur ein paar Mal geschlagen hatte und dass er fort war. Sie war allein in dem Gässchen. Der schmale Streifen Himmel über ihr wurde dunkler – die Dämmerung brach herein. Gelegentlich hörte sie Stimmen in der Straße weiter vorn, doch niemand näherte sich dem schmalen Durchgang, in dem sie zusammengekrümmt auf der Erde lag.
    Später erwachte sie erneut. Anscheinend hatte sie das Bewusstsein verloren, während sie versucht hatte, auf die Mündung des Gässchens zuzukriechen. Die von Fackellicht erhellte Arbeitsstraße war nur ein Dutzend Schritte entfernt. Gestalten bewegten sich in ihrem Blickfeld. Durch das ununterbrochene Klingeln in ihren Ohren hörte sie Rufe und Schreie. Die Luft stank nach Rauch. Sie versuchte weiterzukrabbeln, doch dann verlor sie erneut das Bewusstsein.
    Ein kühles Tuch strich über ihre Stirn. Felisin öffnete die Augen.
    Heboric beugte sich über sie; er schien ihre Pupillen sorgfältig zu mustern, erst die eine, dann die andere. »Na, bist du wieder da, Schätzchen?«
    Ihr Kiefer schmerzte, ihre Lippen waren von Schorf verkrustet und ließen sich nicht öffnen. Sie nickte und bemerkte erst jetzt, dass sie in ihrem Bett lag.
    »Ich werde deine Lippen mit Öl einreiben, dann können wir zusehen, ob wir sie irgendwie aufbekommen, ohne dass es allzu wehtut. Du musst unbedingt etwas trinken.«
    Sie nickte noch einmal und stählte sich gegen den Schmerz, den seine Bemühungen hervorriefen, als er mit einem ölgetränkten Tuch, das er sich um den Stumpf seines linken Arms gewickelt hatte, ihren Mund betupfte. Er sprach leise dabei. »Es war für uns alle eine aufregende Nacht. Baudin ist aus dem Gefängnis entkommen; er hat ein paar Gebäude in Brand gesteckt, um für Ablenkung zu sorgen. Er versteckt sich irgendwo hier in Schädelmulde. Er hat jedoch nicht versucht, über die Klippen oder durch den Abteufer-See zu entkommen – die Wächter, die rundum auf der Käferstraße aufgestellt sind, haben jedenfalls nichts davon

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