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Das Reich der Sieben Städte

Das Reich der Sieben Städte

Titel: Das Reich der Sieben Städte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Erikson
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Düsternis verhangen. Wild mit den Flügeln schlagend, flatterten fliehende Rhizan um ihn herum. Der Assassine zischte zwischen zusammengebissenen Zähnen einen Fluch hervor und trieb sein Pferd zum gestreckten Galopp.
    Sosehr er auch Pferde grundsätzlich verabscheute, musste er doch zugeben, dass das Tier wunderbar war, wenn es sich in vollem Galopp befand; es schien förmlich über den Boden zu fliegen, mit einem Rhythmus, der Kalams geringen Fähigkeiten sehr entgegenkam. Er brachte dem Hengst schon beinahe so etwas wie Zuneigung entgegen.
    Während er dahinpreschte, warf er einen Blick zur Seite und sah, dass die ersten Ausläufer des Sturms ihm bis auf weniger als hundert Schritt nahe gekommen waren. Er hatte keine Chance, ihm zu entkommen. Eine wirbelnde Woge aus aufgepeitschtem Sand kennzeichnete die Linie, an der der Wind auf den Boden traf. Kalam konnte faustgroße Felsbrocken in der dahinrollenden Brandung erkennen. Binnen weniger Minuten würde die Wand über ihm und dem Pferd zusammenschlagen. Die Luft war erfüllt vom Brüllen des Sturms.
    Ein Stück voraus und auf einem Kurs, der sich mit seinem eigenen kreuzen würde, sah Kalam inmitten der ockerfarbenen Wolke einen grauen Fleck. Er warf sich im Sattel nach hinten, riss wild an den Zügeln. Der Hengst, plötzlich aus dem Rhythmus gebracht, wieherte schrill auf und trampelte unsicher mit den Hufen, während er mühsam zum Stehen kam.
    »Wenn du auch nur ein bisschen Hirn hättest, würdest du mir danken«, zischte Kalam. Der graue Fleck war ein Schwarm Sandflöhe. Diese unersättlichen Insekten warteten auf Stürme wie diesen, um sich dann auf der Suche nach Beute von den Windböen tragen zu lassen. Das Schlimmste war, dass man sie von vorn nicht erkennen konnte; nur von der Seite waren sie sichtbar.
    Gerade als der Schwärm vor ihnen vorbeizog, schlug der Sturm zu.
    Der Hengst stolperte, als die Mauer über sie hinwegrollte. Die Welt um sie herum verschwand, verwandelte sich in einen kreischenden, wirbelnden ockergelben Schleier. Steine und Geröll prasselten auf sie herab, ließen den Hengst zusammenzucken und Kalam schmerzerfüllt ächzen. Der Assassine senkte den Kopf unter der Kapuze und lehnte sich gegen den Wind. Durch den Schlitz im Schleier seiner Telaba blinzelte er nach vorn, trieb sein Pferd an weiterzugehen. Er beugte sich über den Nacken des Tieres, streckte eine behandschuhte Hand aus und wölbte sie über dem linken Auge des Hengstes, um es vor Steinbrocken und Kieselsteinen zu schützen. Das war er dem Tier schuldig, schließlich hatte er es hierher und in diese Situation gebracht.
    Sie tasteten sich vielleicht zehn Minuten lang weiter, ohne in der Glocke aus aufgewirbeltem Sand etwas sehen zu können. Dann schnaubte der Hengst und bäumte sich auf. Unter ihnen erklangen knackende, knirschende Geräusche. Kalam blinzelte nach unten. Knochen. Überall lagen Knochen. Der Sturm hatte einen Friedhof freigelegt, etwas, das häufiger vorkam. Der Assassine brachte sein Pferd wieder unter Kontrolle und versuchte dann, in der ockergelben Düsternis etwas zu erkennen. Der Anlegeplatz Ladro musste ganz in der Nähe sein, doch er konnte nicht das Geringste sehen. Er trieb das Pferd vorwärts, und das Tier setzte vorsichtig Huf vor Huf, versuchte, nicht auf die Knochenhaufen zu treten.
    Die Küstenstraße tauchte vor ihnen auf, und dazu die Wachhäuschen, die wahrscheinlich die Brücke flankierten. Das Dorf musste sich zu seiner Rechten befinden – wenn der verdammte Sturm es nicht weggeblasen hat. Hinter der Brücke lag die Festung Ladro.
    Die beiden Wachhäuschen, die normalerweise je einem Wächter Schutz boten, gähnten leer, wie Augenhöhlen in einem riesigen Totenschädel.
     
    Nachdem Kalam sein Pferd in den Stall gebracht und versorgt hatte, überquerte er den Hof; der Assassine musste sich gegen den Wind stemmen, und die Schmerzen in seinen Beinen ließen ihn bei jedem Schritt, den er dem Torhaus-Eingang der Festung näher kam, zusammenzucken. Er duckte sich in die Nische und war plötzlich zum ersten Mal seit Stunden nicht mehr mitten im Sturm. Vom Wind hereingewehte Häufchen aus feinem Sand lagen in den Ecken des Wachhauses, doch die stauberfüllte Luft war ruhig. Es war kein Wächter auf Posten; die einsame Steinbank war leer.
    Kalam packte den schweren eisernen Ring an der Tür und hämmerte damit hart gegen das Holz. Er wartete. Schließlich hörte er, wie auf der anderen Seite die Riegel beiseite geschoben wurden. Knarrend schwang

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