Das Reich der Traeume
Sorgen.«
»Wollt Ihr Eure Gedanken mit mir teilen?«
Arquimaes kauerte sich dicht neben das Feuer und blickte gedankenverloren in die Flammen.
»Vor Jahren hatte ich einen Traum«, murmelte er. »Einen eindringlichen Traum, der sich Nacht für Nacht wiederholte â¦Â«
Die Worte seines Meisters weckten seltsame Erinnerungen in Arturo.
»Ich wurde in eine Familie von Bauern hineingeboren, die im tiefsten Elend lebte«, fuhr der Weise fort. »Mein Vater hatte in seiner Jugend den Fehler begangen, sich einem Aufstand der Bauern gegen den König anzuschlieÃen. Die Revolte scheiterte und mein Vater wurde ins Gefängnis geworfen. Dort blieb er viele Jahre, bis man ihn schlieÃlich begnadigte. Er heiratete meine Mutter, die noch ärmer war als er. Wir Kinder litten ständig Hunger und konnten nicht zur Schule gehen. Krankheiten und Schulden lasteten schwer auf unserer Familie. Ich weià bis heute nicht, wie wir dieses elende Leben ertragen haben.«
Arquimaes schwieg. Arturo spürte, wie der Knoten in seiner Kehle kurz davor war, sich zu lösen. Da erwachte CrispÃn, der das feine Gehör eines Wolfes hatte, und setzte sich zu ihnen.
Arquimaes fuhr fort: »Eines Tages wurde mein Vater von einem Adligen erwischt, als er Obst aus den Gärten des Königs stehlen wollte. Ihm wurde kurzer Prozess gemacht, er wurde für schuldig erklärt und mit seinem eigenen Strick gehenkt, mit dem er auf die Bäume geklettert war. Meine Mutter verlor aus Kummer und Verzweiflung den Verstand. Das war das Ende für unsere Familie â ich war vierzehn Jahre alt, als die Träume einsetzten. Das Leben war so schwierig geworden, dass mir kein anderer Ausweg blieb als die Flucht in meine Träume. Träumen ist das Einzige, was armen Leuten erlaubt ist.«
CrispÃn erschauerte, denn Arquimaesâ Geschichte führte ihm qualvoll seine eigene Kindheit vor Augen.
»Zwei meiner Brüder wurden Mönche, ein dritter starb, und auch meine ältere Schwester zog sich in ein Kloster zurück, wo sie noch heute lebt; die jüngere heiratete einen Gaukler und verschwand aus unserem Leben. Ich habe nie wieder etwas von ihr gehört.«
»Und was habt Ihr gemacht, Meister?«, fragte Arturo.
»Meine Brüder wollten mich überreden, ebenfalls ins Kloster einzutreten, doch ein solches Leben besaà keinerlei Reiz für mich. Ich war jung und lebenshungrig, also trat ich in die Armee des Grafen ein, der meine Familie ins Unglück gestürzt hatte. Ich wurde Soldat.«
»Ihr seid in die Dienste dieses Unmenschen getreten, der schuld am Tode Eures Vaters war?«, wunderte sich CrispÃn.
»Es war die einzige Möglichkeit, in seine Nähe zu gelangen. Ich hatte einen Plan: Bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bot, wollte ich ihm ein Messer in die Kehle stoÃen. Ich wollte nur eins: Rache. Doch meine Träume wurden immer eindringlicher. In den Jahren, die ich in den Diensten des Grafen stand, habe ich zu kämpfen gelernt und wurde so zu einem erfahrenen Krieger. Gleichzeitig jedoch entwickelten sich meine Träume in ungeahntem AusmaÃ.«
»Worum ging es in Euren Träumen?«, fragte CrispÃn neugierig. »Um eine Frau vielleicht?«
»Ich träumte davon, eine gerechte Welt zu schaffen«, antwortete Arquimaes. »Anfangs waren es jugendliche Fantasien, wirre Gedanken über die Ungerechtigkeiten, die ich um mich herum sah. Doch es ging immer weiter, und am Ende sah ich mich auf einem Thron sitzen, mit einer Krone aus Gold und Silber auf dem Kopf und mit einer Frau an meiner Seite.«
»Also, das nenne ich ehrgeizige Träume«, mischte sich Alexia ein, die ebenfalls alles mit angehört hatte. »Ich wusste ja schon immer, dass Alchemisten auf Macht aus sind, aber das übertrifft all meine Erwartungen!«
»In meinen Träumen war ich ein weiser und gerechter König, tolerant und verständnisvoll meinen Untertanen gegenüber. Ein König, der nicht machtbesessen war, sondern nur einen Wunsch hatte: Ungerechtigkeit zu beseitigen und den Ãrmsten Schutz zu bieten.«
»Ein König der Bauern?«, fragte die Prinzessin ironisch. »Ein Bauer, der sich in einen Bauernkönig verwandelt!«
»Meine Träume waren edel. Ich war ein König aus der Not heraus. Ein König, der die Ungerechtigkeiten beseitigen wollte, die noch heute so verheerende Auswirkungen auf dieses Land haben.
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