Das Reich der Traeume
Augenlidern.
»Ich heiÃe Metáfora und bin mit ihm verabredet. Sag ihm, ich habe meinen Freund Arturo mitgebracht.«
»Wartet hier eine Sekunde, ich schau mal nach, ob er Zeit für euch hat«, sagt das Mädchen, bevor sie zwischen Seidenvorhängen verschwindet. »Er hat gerade einen Kunden.«
Kurze Zeit später kommt die junge Thailänderin wieder und fordert uns auf, ihr zu folgen.
»JazmÃn erwartet euch. Hier entlang.«
Wir tasten uns durch ein farbenfrohes Meer aus Seidentüchern und gelangen in einen Raum, in dessen Mitte ein junger Mann auf einer Pritsche liegt. Sein Gesicht ist tränenüberströmt. Neben ihm steht ein dicker, kräftiger Kerl, der uns mit einem breiten Grinsen begrüÃt.
»Hallo! Erzählt mir erst mal, was ihr von mir wollt, ich arbeite inzwischen weiter«, sagt JazmÃn und zeigt dabei auf seine Tätowierpistole. »Setzt euch da hin und sagt mir, worum es geht. Nach dem, was du mir am Telefon erzählt hast, muss dein Freund ein sehr interessanter Fall sein.«
Ich kann meinen Blick nicht von dem armen Kerl losreiÃen, der gerade tätowiert wird. Tränen flieÃen über sein Gesicht, und doch hat man den Eindruck, dass er glücklich ist. Ehrlich gesagt, wenn ich sehe, wie schmerzhaft es ist, sich die Haut tätowieren zu lassen, weià ich nicht, worüber ich mich beklage. SchlieÃlich hat es bei mir überhaupt nicht wehgetan!
»Also, es ist so: Arturo hat die seltsamste Tätowierung, die du jemals in deinem Leben gesehen hast.«
»Meinst du den Drachenkopf auf seiner Stirn? In China ist das ganz normal. Der Drache ist ein chinesisches â¦Â«
»Von dem Drachen reden wir später«, unterbricht ihn Metáfora. »Jetzt sieh dir erst mal das hier an â zieh dich aus, Arturo!«
»Jetzt? Hier? Vor all den Leuten?«
Ihr Blick durchbohrt mich, und obwohl es mir peinlich ist, ziehe ich die Jacke aus und das T-Shirt hoch und zeige ihnen mein ganz besonderes kleines Kunstwerk.
JazmÃn kneift die Augen zusammen und versucht, die Buchstaben auf meinem Oberköper zu entziffern.
»Weiter!«, bittet er mich. Sein Interesse ist geweckt. »Zeig mir noch mehr!«
Ich ziehe mein T-Shirt ganz aus und stelle mich direkt vor ihn hin, damit er mich besser betrachten kann.
»Bei den Zähnen des Drachen!«, sagt er theatralisch. »So was hab ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen!«
Sogar die Heulsuse auf der Pritsche blickt interessiert zu mir herüber. Seine Augen sind gerötet, man kann ganz deutlich sehen, dass er leidet wie ein Hund.
JazmÃn ist so erstaunt über das, was er sieht, dass er die Haut seines Kunden tiefer einritzt als nötig. Der Ãrmste schreit schmerzerfüllt auf.
»JazmÃn, was machst du da?«, protestiert er. »Du tust mir weh!«
»Sei still! Ich hab dir einen Freundschaftspreis gemacht, also halt die Klappe! Ich muss mir das Kunstwerk hier erst mal genauer ansehen!« JazmÃn legt die Pistole auf eine Art Tablett und wischt sich mit einem Lappen Blut und Tinte von den Händen.
»Wie findest du das?«, fragt Metáfora.
»Ein wahres Kunstwerk! Absolut einzigartig!«
»Hab ichâs dir nicht gesagt?«
»Geil!«, ruft der Jammerlappen, der sich, wie ich jetzt erst merke, den ganzen Rücken mit Comicfiguren voll tätowieren lässt. »Supergeile Buchstaben!«
JazmÃn beugt sich noch weiter zu mir herüber und fährt mit den Fingerkuppen über die Zeichen. Dann geht er zu seinem Arbeitstisch, nimmt eine groÃe Lupe, kommt wieder zu mir und betrachtet jetzt meinen Oberkörper durch das VergröÃerungsglas.
»Wer hat das gemacht?«, fragt er schlieÃlich.
»Ich glaube, das ist durch die Berührung mit einem Pergament entstanden.«
»Ist das ein Abziehbild?«
»Nein, kein Abziehbild. Es hat etwas mit Magie zu tun. Ich kann es nicht erklären. Ich wurde in ein Pergament gewickelt, als ich klein war, und die Buchstaben haben sich auf meinen Körper übertragen.«
»Buchstaben werden nicht übertragen.«
»Siehst du doch«, entgegne ich. »Meine Haut hat sie aufgesogen wie Löschpapier.«
»Ah, verstehe.«
Er fährt fort, mich eingehend zu untersuchen. Sein Erstaunen kennt keine Grenzen. Er berührt mich, kneift mich, und hin und wieder schreit er überrascht auf. Dann tritt er einen Schritt zurück und stellt
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