Das Reich der Traeume
nicht ein, dass du mich damit erschrecken kannst! Deine Zirkustricks machen mir keine Angst!«
Ich mache einen Schritt auf ihn zu, bereit, das Problem ein für alle Mal aus der Welt zu schaffen. Aber Metáfora hält mich am Arm fest.
»Komm, gehen wir in die Klasse«, sagt sie. »Ignorier ihn einfach.«
Ich bemerke, dass Norma uns die ganze Zeit von Weitem beobachtet hat, ohne sich einzumischen. Ich glaube, das, was Metáfora weibliche Sensibilität nennt, besteht auch darin, sich in bestimmten Momenten zu beherrschen.
Als Horacio sieht, dass er mit seinen Sticheleien keinen Erfolg hat, geht er mit seinen Freunden weiter.
Mercurio kommt auf uns zu. Wir haben schon seit Tagen nicht mehr miteinander gesprochen.
»Siehst du, ich hab deinen Rat befolgt«, sagt er. »Ich hab alles dem Direktor übergeben. Absolut alles.«
»Sehr gut, Mercurio. Das war das Beste, was du tun konntest.«
»Hast du schon gehört? Der Garten soll jetzt umgegraben werden.«
»Warum das denn?«
»Um nach mehr zu suchen. Jemand hat den Stadtrat darauf aufmerksam gemacht, dass da noch mehr Stücke aus dem Mittelalter liegen könnten.«
»Und wann fangen die damit an?«
»In den nächsten Tagen, dann werden die ersten Bagger im Garten stehen. Der Stadtrat hat die Behörden informiert, die haben einen ihrer Archäologen geschickt und der hat eine archäologische Karte angefertigt. Ich weià nicht, wo das alles noch hinführen soll â¦Â«
Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Nachricht ist. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, dass nach neuen Fundstücken gesucht wird; aber ich möchte auch nicht, dass sich der Garten in einen Zirkus verwandelt.
* * *
Ãberraschenderweise hockt Hinkebein nicht auf seinem üblichen Platz. Ich versuche, ihn anzurufen, doch er hat sein Handy ausgeschaltet. Hoffentlich ist ihm nichts passiert.
»Keine Panik«, beruhigt mich Metáfora. »Er wird beschäftigt sein. Gleich kommt er, wirst schon sehen.«
»Normalerweise ist er immer erreichbar. Ich mache mir Sorgen, vor allem nach der SMS , die er mir heute Morgen geschickt hat.«
»Komm, gehen wir rein und reden mit dem General. Er sitzt bestimmt noch in der Bibliothek und arbeitet.«
Ich befolge ihren Rat und vergesse für einen Moment unseren Archäologen mit dem Geheimauftrag. Auf unserem Weg begegnen wir Adela, die gerade das Besucherverzeichnis der Stiftung kontrolliert. Sie sieht sehr besorgt aus.
»Ist was passiert?«, frage ich sie.
»Ich hoffe nicht. Auf der heutigen Liste steht ein Besucher, der sich nicht ausgetragen hat. Wir müssen nachsehen, wo er steckt.«
»Warum sollte es jemand darauf anlegen, sich in der Stiftung einschlieÃen zu lassen?«, frage ich. »Was kann er hier schon wollen?«
»Auf jeden Fall ist es besser, ihn zu finden und aufzufordern, das Haus zu verlassen. Wenn er sich hier im Haus aufhält, werden wir ihn finden.«
»Meinst du, es könnte ein Dieb sein?«
»Möglich. Manchmal lassen sie sich in einem Museum einschlieÃen, um nachts etwas zu stehlen, und am nächsten Morgen mischen sie sich dann unter die Besucher und machen sich in aller Ruhe aus dem Staub. Aber diesmal kriegen wir ihn! Schade, dass noch keine Videoüberwachung installiert worden ist.«
»Erzähl mir nicht, dass ihr überall in der Stiftung Videokameras aufstellen wollt!«, sage ich entsetzt.
»Das ist heutzutage so üblich. Wir werden alles über Bildschirme überwachen, und niemand kann hereinkommen oder hinausgehen, ohne dass wir es bemerken. Alles wird aufgezeichnet.«
»Auch der dritte Stock?«
»Selbstverständlich. Ich habâs dir doch schon mehrmals gesagt, wir müssen jeden Zentimeter der Stiftung überwachen.«
Ich habe genug gehört und gehe in mein Zimmer. Ich möchte jetzt lieber allein sein. Bald werde ich also von Tausenden von Augen beobachtet. Klar werden die Kameras die Sicherheit erhöhen, aber bestimmt werde ich mich dann wie in einem Gefängnis fühlen.
Ich schalte den Computer ein und öffne mein Fotoarchiv. Dabei fällt mein Blick wieder auf die Abbildung der blank polierten Münze, die Cristóbal mir geschenkt hat und die ich eingescannt habe. Spontan beschlieÃe ich, sie noch einmal genauer unter die Lupe zu nehmen. Obwohl ich fürchte, dass nichts dabei herauskommt.
Mein Blick wandert über die Münze.
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