Das Reich der Traeume
feuchten Lappen. Was bleibt, ist eine kleine Schramme.
»Es ist nichts Ernstes«, sagt Mahania. »Ich werde ein Pflaster drauftun.«
»Vielleicht sollten wir ihn ins Krankenhaus bringen«, schlägt einer der Männer vor.
»Nicht nötig, wirklich nicht«, sagt Hinkebein. »Es ist alles in Ordnung. AuÃerdem muss ich zurück an die Arbeit.«
»Du willst dich wieder auf den Bürgersteig hocken?«
»Ich muss arbeiten, Arturo. Wer soll mir denn sonst was zu essen geben, hm?«
»Du bist gerade überfallen worden! Du musst dich erholen! Stell dir vor, die kommen noch mal zurück!«
»Das werden sie nicht, diese Feiglinge. Beim nächsten Mal können die was erleben!«
»Du musst den Ãberfall sofort bei der Polizei melden«, sage ich ernst.
»Auf keinen Fall!«, ruft Hinkebein.
»Warum denn nicht?«
»Ich bin schon wieder auf dem Damm. Vielen Dank für alles, aber jetzt muss ich wieder los. Wenn ich kein Geld verdiene, habe ich nichts zu essen.«
Trotz unserer Proteste steht Hinkebein auf. Was für ein Dickkopf!
»Haben Sie vielen Dank für alles, meine Herrschaften«, sagt er, bevor er ohne Hilfe hinausgeht. »Ich bin wieder vollkommen in Ordnung.«
»Warte, ich geh mit dir«, sage ich. »Erzähl mir, was genau passiert ist.«
»Ich hab dir doch gesagt, mit diesem Viertel gehtâs bergab. Hier treiben sich immer mehr schräge Typen rum. Das war nur eine Warnung.«
»Eine Warnung? Wovor?«
»Ich soll mich blind, taub und stumm stellen«, erklärt Hinkebein. »Deswegen brauchst du dir aber keine Sorgen zu machen. Los, hau schon ab, sonst kommst du zu spät zur Schule.«
* * *
Ich komme gerade noch rechtzeitig. In allerletzter Sekunde schlüpfe ich in die Klasse und setze mich auf meinen Platz. Metáfora deutet vorwurfsvoll auf ihre Armbanduhr.
»Was ist los, kannst du nicht mal pünktlicher sein?«, fragt sie.
»Tut mir leid, aber Hinkebein ist überfallen worden, ich musste ihm helfen.«
»Du hast auch immer für alles eine Entschuldigung.«
»Es ist die Wahrheit, ich schwörâs dir. Wir haben ihn in die Stiftung gebracht.«
»Wie gehtâs ihm? Ist es schlimm?«
»Nicht besonders, aber er hat sich ziemlich erschrocken, glaube ich.«
»Arturo, du bist nicht nur unpünktlich, du lenkst auch noch die anderen mit deinen Geschichten ab«, tadelt mich Norma.
»Entschuldigen Sie, aber es hat einen Zwischenfall gegeben, und das habe ich gerade Metáfora erzählt.«
»Hat das was mit dieser Schule zu tun?«, fragt Norma.
»Nein, tut mir leid.«
»Na schön, dann versuch jetzt bitte nicht mehr zu stören, damit wir mit dem Unterricht beginnen können, ja?«
»Ja, Señorita.«
»Du weiÃt doch, dass meine Mutter sauer wird, wenn wir zu spät kommen«, flüstert Metáfora mir zu. »Du solltest dir wenigstens Mühe geben.«
Ich antworte nicht, um nicht wieder aufzufallen. Aber ich mache mir Sorgen wegen Hinkebein und wegen der Entscheidung meines Vaters â¦
»Papa will die Zeichnungen von Arquimaes verkaufen«, flüstere ich.
Metáfora sieht mich an, als hätte ich etwas Unanständiges zu ihr gesagt.
»Das darf er nicht! Wir müssen das verhindern!«
»Wenn du mir sagst, wie â¦Â«
Die Lehrerin wirft mir einen bösen Blick zu und ich ziehe es vor, den Mund zu halten. Norma ist eine sehr strenge Lehrerin, und auch wenn sie sich gut mit meinem Vater versteht, bin ich sicher, dass sie mich bestrafen wird, wenn sie es für nötig hält. Deswegen ist es wohl besser, sie nicht noch weiter zu reizen.
XVII
Im Wald der Geächteten
A rturo und Alexia ritten durch den Wald von Amórica, während sie alles um sich herum aufmerksam beobachteten. Das leiseste Geräusch konnte ihren Tod bedeuten. Wenn sie nicht aufpassten, würden sie den Geächteten in die Falle gehen, und für diese Leute waren alle, die sich in ihren Wald verirrten, Beute. Gleich ob es sich um reiche oder arme Leute, um einfache Menschen oder Adlige handelte. Sie nahmen sich ausnahmslos alles, was ihnen in die Hände fiel.
Längst hatten sie jenen Glanz der Kämpfer für die Gerechtigkeit verloren, der sie früher einmal umgeben hatte. Damals hatten ihnen viele Bauern und Landarbeiter Verständnis entgegengebracht und ihren Kampf gegen die Ungerechtigkeit
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