Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Normalerweise konnte man das leise Rascheln ihrer Federn hören, wenn sie ihre mächtigen Schwingen schlugen, doch wegen des starken Windgeräusches war das jetzt unmöglich. Ihre schwarzen Augen beobachteten ihn, wie er sie betrachtete. Sie sollten ruhig wissen, daß er ihre Gegenwart bemerkt und ihre nächtliche Rückkehr nicht verschlafen hatte.
Doch obwohl er sie keinen Moment aus den Augen ließ, vermochte er sich nicht vorzustellen, was sie mit ihrem Tun bezweckten. Er hatte dieses Verhalten früher schon bei ihnen beobachtet, ohne es wirklich zu verstehen. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß er ihre Gegenwart immer dann gespürt hatte, wenn sie dieses merkwürdige Verhalten an den Tag legten, sonst dagegen nicht. Hatte er Kopfschmerzen gehabt, so waren diese, wenn sie zu ihm zurückkehrten, sofort verschwunden.
Den heißen Wind im Haar, ließ Richard den Blick über die trostlose, noch immer im staubigen Dämmerlicht kurz vor Sonnenaufgang daliegende Wüste schweifen. Dieser Ort bar allen Lebens, wo der Anbruch eines neuen Tages keineswegs eine zu neuem Leben erwachende Welt verhieß, behagte ihm kein bißchen. Am liebsten wäre er jetzt mit Kahlan in den Wäldern seiner Heimat gewesen. Er konnte ein Schmunzeln nicht unterdrücken, als er an den Ort in den Bergen dachte, wo sie den letzten Sommer verbracht hatten. Dort war es so herrlich gewesen, daß sich sogar Cara von der heiteren Stimmung hatte anstecken lassen …
Völlig unvermittelt kippten die Riesenkrähen ihre breiten Schwingen, zogen ihre Kreise enger und näherten sich dem Wüstenboden. Er wußte, sie würden dieses Verhalten für kurze Zeit beibehalten, bis sie ihre Formation schließlich auflösten und wieder auf eine normale Flugbahn zurückkehrten. Bisweilen vollführten sie, wie man es oft bei Krähen beobachten konnte, im eleganten, perfekt eingespielten Paarflug spektakuläre Flugkunststücke, im Übrigen aber entsprach dieses gelegentliche Kreisen in einer fest gefügten Gruppe nicht ihrem gewohnten Verhalten.
Plötzlich, ihre tiefschwarzen Schatten hatten sich zu einem engen Strudel verdichtet, erkannte Richard, daß die aufgewirbelten Sandschleier unter ihnen keineswegs ziellos vom Wind hin und her geweht wurden, sondern in einer seltsam fließenden Bewegung eine unsichtbare Leere auszusparen schienen.
Die feinen Härchen auf seinen Armen stellten sich auf.
Mit zusammengekniffenen Augen blinzelte Richard in den Wind und versuchte, trotz des heulenden Sandsturms etwas zu erkennen, bis eine kräftige Bö plötzlich noch mehr Sand und Staub aufwirbelte. Es war, als mieden die feinen, über den ebenen Wüstenboden dahinjagenden Sandwirbel eine Stelle genau unterhalb der Riesenkrähen - bis sich immer deutlicher eine Gestalt abzuzeichnen begann.
Sie schien die Umrisse eines Menschen zu haben.
Der Staub umwirbelte ein leeres Nichts, verlieh ihm dadurch Form und Gestalt, so als wollte er zeigen, was sich dort befand, ohne es tatsächlich preiszugeben. Wann immer der Wind auffrischte und eine dichte Staubwolke herantrug, glich die vom verwehten Sand umwirbelte Silhouette den Umrissen eines Mannes mit langem Gewand und Kapuze.
Richards Hand tastete nach dem Heft seines Schwertes.
Die Gestalt bestand ausschließlich aus dem Sand, der ihre äußere Kontur umwehte - ganz ähnlich trübem Wasser, das eine Flasche aus durchsichtigem Glas umspült und dadurch ihre verborgene Form offenbart. Die Gestalt schien völlig regungslos dazustehen und ihn zu beobachten.
Obgleich dieses leere, sandumwirbelte Nichts keine Augen hatte, meinte Richard deutlich Blicke auf seinem Körper zu spüren.
»Was ist denn passiert?«, erkundigte sich Jennsen, die plötzlich neben ihm stand, in besorgtem Flüsterton.
Richard schob sie mit seiner linken Hand zurück. Das heftige Bedürfnis, das ihn gerade überkam, war so übermächtig, daß er seine ganze Konzentration aufbieten mußte, um dabei nicht allzu grob zu sein. Er hielt das Heft seines Schwertes so fest gepackt, daß sich die erhabenen, mit Golddraht in das Silber eingearbeiteten Buchstaben des Wortes WAHRHEIT spürbar in seine Hand eingruben.
Richard beschwor den Daseinszweck des Schwertes, den eigentlichen Grund seiner Existenz. Als Antwort zündete die Urgewalt der Kraft des Schwertes.
Noch während ihn der Zorn des Schwertes durchströmte, spürte Richard jenseits seines Zorns, in einem verborgenen Winkel seines Verstandes, unerwartet eine vage Abneigung des Magiestromes, seiner Aufforderung
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