Das Reich des dunklen Herrschers - 8
»Sieh dir den Mittelteil an, wo sich das Holz verjüngt. Du wirst bemerken, daß es aus genau diesem Grund über einem Feuer getrocknet wurde. Und jetzt betrachte das spitze Ende. Es ist in vier Teile gespalten, deren Spitzen, wie bei einem Blütenkelch, leicht nach außen gebogen sind, so daß sie sich beim Eindringen in einen Gegner höchstwahrscheinlich weiten und dadurch erheblich größeren Schaden anrichten werden. Ein Stoß mit dieser Waffe ist, als steche man viermal auf einen Gegner ein.
Bricht man sie dann in seinem Körper ab, ist er augenblicklich kampfunfähig, da die langen Eichensplitter sich mit jeder Bewegung tiefer in seine empfindlichen Eingeweide bohren. Selbst wenn sie nicht auf ein lebenswichtiges Organ treffen und ihn auf der Stelle töten, wird er höchstwahrscheinlich noch am selben Tag eines qualvollen Todes und unter entsetzlichen Schreien sterben. Diese zu allem fähigen Männer sollen wissen, daß all die Schmerzen und das Leid, das sie anderen zufügen, letzten Endes auf sie zurückfallen. Diese Angst wird zum ersten Mal den Gedanken an Flucht in ihnen aufkeimen lassen; sie wird ihnen schlaflose Nächte bereiten und sie zermürben, so daß sie, wenn wir schließlich auf sie treffen, leichter zu töten sein werden.«
Richard nahm einen anderen Gegenstand zur Hand. »Dies ist eine kleine Armbrust.« Er hielt sie in die Höhe, damit die Männer sie sehen konnten, während er ihre Einzelteile erläuterte. »Wie ihr seht, wird die Sehne von diesem Sperrkegel zurückgehalten. In diese Kerbe hier wird ein kurzer kräftiger Bolzen eingelegt. Drückt man auf den Abzug hier, wird der Sperrkegel nach vorn geschoben, die Sehne schnellt vor und feuert den Bolzen ab. Es ist keine besonders präzise gearbeitete Waffe, außerdem habt ihr keine Erfahrung in ihrem Gebrauch, andererseits braucht man auf kurze Distanz auch kein besonders guter Schütze zu sein.
Ich habe damit begonnen, eine ganze Reihe dieser Armbrüste herzustellen, außerdem habe ich einen ganzen Berg Schäfte und andere Einzelteile anfertigen lassen. Mithilfe der Dinge, die ihr mitgebracht habt, können wir sie jetzt zusammenbauen. Sie sind ziemlich primitiv und dürften, ich sagte es bereits, auf größere Entfernung nicht viel taugen, aber sie sind handlich und lassen sich unter einem Umhang verbergen. Wie groß und kräftig der Gegner auch sein mag, hiermit kann selbst der Schmächtigste unter euch ihn töten. Aus nächster Nähe abgefeuert, vermag nicht einmal seine Kettenpanzerrüstung ihn gegen diese Waffe zu schützen. Ich kann euch versichern, ihre Wirkung ist überaus tödlich.«
Anschließend zeigte Richard ihnen Hartholzknüppel, die noch mit Nägeln versehen werden mußten; auch diese Waffen ließen sich leicht verstecken. Dann zeigte er ihnen eine einfache Schnur mit einem kleinen Holzgriff an beiden Enden, die man zum Erdrosseln eines Mannes von hinten - wenn es vor allem darum ging, unbemerkt zu bleiben -benutzte.
»Mit den ersten Soldaten, die wir überwältigen, werden uns weitere Waffen in die Hände fallen - Messer, Äxte, Keulen, Schwerter.«
»Aber Lord Rahl«, warf Owen, sichtlich außer sich vor Sorge, ein, »selbst wenn wir einwilligen sollten, uns euch anzuschließen, sind wir noch lange keine Kämpfer. Die Soldaten der Imperialen Ordnung sind brutale, in diesen Dingen erfahrene Rohlinge. Gegen solche Männer haben wir doch keine Chance.«
Die anderen pflichteten ihm besorgt bei, doch Richard schüttelte nur den Kopf und bat mit erhobenen Händen um Ruhe.
»Seht euch die Finger an, die ihr in Händen haltet, und dann fragt euch, welche Chance diese kleinen Mädchen gegen diese Männer hatten. Fragt euch, welche Chance eure Mütter, Schwestern, Ehefrauen oder Töchter hätten. Für diese Menschen - und für euch selbst - seid ihr die allerletzte Hoffnung.
Sehr wahrscheinlich hättet ihr gegen diese Männer tatsächlich keine Chance. Ich habe jedoch nicht die Absicht, so gegen sie zu kämpfen, wie ihr euch das vorstellt. Das wäre glatter Selbstmord.« Richard zeigte mit dem Finger auf einen der Jüngeren. »Was ist unser Ziel? Weshalb habt ihr mich hergeholt?«
Der junge Bursche schien etwas verwirrt. »Um die Soldaten der Imperialen Ordnung loszuwerden?«
»Genau«, sagte Richard. »Das ist richtig. Ihr wollt diese Mörder loswerden; das letzte, was ihr wollt, ist gegen sie kämpfen.«
Der junge Bursche deutete mit einer Handbewegung auf die Waffen, die Richard ihnen vorgeführt hatte. »Aber diese
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