Das Reich des dunklen Herrschers - 8
seine Handgelenke an die Brust gepreßt, so als wollte er seine mit schwarzen Fingernägeln versehenen Krallen vor ihr verbergen.
Kahlan mußte ihm nicht vorgestellt werden, um zu wissen, daß dies Nicholas der Schleifer war. Sie hatte Männern Geständnisse abgenommen, die nach außen hin nichts weiter zu sein schienen als höfliche, junge Burschen, berufstätige Familienväter oder freundliche Großväter, die in Wahrheit jedoch Verbrechen von skrupellosester Grausamkeit begangen hatten. Wenn man sie betrachtete, wie sie hinter ihrer Werkbank standen und Schuhe fertigten, wie sie Brot verkauften oder draußen auf dem Feld ihre Tiere versorgten, wäre es einem schwer gefallen, sie so abscheulicher Verbrechen für fähig zu halten. Aber als sie jetzt Nicholas vor sich sah, offenbarte sich ihr eine Verdorbenheit von so ungeheurem Ausmaß, daß sie alles an ihm, bis hin zu seinen obszön zusammengekniffenen Augen, mit seinem Gift durchdrungen hatte.
»Der Fang aller Fänge«, zischte er. Er streckte eine Hand vor und ballte sie zur Faust. »Und jetzt gehört er mir.«
Kahlan bekam kaum mit, was er sagte; sie hatte sich bereits ihrer unwiderruflichen Entschlossenheit hingegeben, von ihrer Kraft Gebrauch zu machen. Dieser Mann hatte unzählige Menschen als Geiseln genommen. Dieser Mann, dessen Schatten nichts als Leid und Tod bedeutete, würde sie und Richard töten, sobald sich ihm die Gelegenheit böte.
Sie packte sein vorgestrecktes Handgelenk, das er mit seiner anderen Hand umfaßt hielt.
Er stand vor ihr wie eine Statue.
Die Nacht unter dem mit Sternen übersäten Himmelsgewölbe wirkte kalt und abweisend. Sie spürte, wie seine Muskeln sich unter ihrem Griff anspannten, so als wollte er seinen Arm zurückziehen. Doch dafür war es längst zu spät.
Er hatte keine Chance; er gehörte ihr.
Die Zeit gehörte ihr.
Nicholas gehörte ihr.
Sie verschwendete keinen Gedanken darauf, was die Soldaten anschließend mit ihr machen würden. Im diesem Augenblick war es ihr gleichgültig; in diesem einen Augenblick zählte nur ihr Vermögen, das zu tun, was getan werden mußte. Dieser Mann gehörte ausgelöscht.
Er war der Feind. Dieser Mann war in ein Land eingefallen und hatte dort im Namen der Imperialen Ordnung unschuldige Menschen gefoltert, vergewaltigt und ermordet. Dieser Mann war mit Magie in ein Monstrum verwandelt worden, dessen einziger Zweck in ihrer Vernichtung bestand. Dieser Mann war ein Werkzeug der Unterwerfung, ein Geschöpf des Bösen.
Richards Leben lag in den Händen dieses Mannes.
Die Kraft in ihrem Innern zerrte an ihren Fesseln.
Angesichts dieser Kraft verflüchtigten sich all ihre Gefühle zu einem bedeutungslosen Nichts; Angst, Haß, Wut und Entsetzen - all das kannte sie nicht mehr. Alle Empfindungen waren hinter kalter Vernunft zurückgetreten. In diesem alles verzehrenden Augenblick der Stille vor dem gewaltigen Ausbruch ihrer Kraft empfand sie nichts als unbedingte Entschlossenheit. Ihre Kraft war zu einem Werkzeug reiner Vernunft geworden.
Alle Hemmnisse fielen von ihr ab.
Für ein winziges Aufblitzen der Zeit vor sich die kleinen, glänzenden Augen, die ihr entgegenstarrten, erfüllte die Kraft ihr ganzes Sein.
Wie bereits unzählige Male zuvor, warf Kahlan die Fesseln ab, die sie noch hielten, und überließ sich einem Strom der Gewalt, der nur ein einziges Ziel kannte.
Doch wo sie die köstliche Entfesselung erbarmungsloser Stärke hatte spüren sollen, empfand sie nichts als furchtbare Leere, wo ihre Kraft in den Verstand dieses Mannes hätte eindringen sollen, war … nichts.
Kahlan entfuhr ein lautes Keuchen. Entsetzt riß sie die Augen auf, als sie den heißen Schmerz eines Messers in ihrem Leib spürte; und überdies noch etwas völlig Fremdes und Entsetzliches, Grauenhaftes, das sich mit brutaler Gewalt einen Weg in ihren Körper suchte.
Ein heißer, quälender Schmerz zerriß ihr Bewußtsein bis auf den Grund ihrer Seele.
Es war, als würde ihr Innerstes auseinander gerissen.
Sie versuchte zu schreien, brachte jedoch keinen Laut hervor.
Die Nacht wurde noch schwärzer, als sie bereits war, dann hörte sie ein Lachen durch ihre Seele hallen.
58
Richard schlug die Augen auf und fühlte sich mit einem Schlag erschreckend hellwach.
Die Härchen in seinem Nacken sträubten sich; ihm war, als stünden ihm die Haare zu Berge. Sein Puls raste unkontrollierbar.
Im nu war er auf den Beinen. Cara, unmittelbar neben ihm und überrascht; daß er so plötzlich aufgesprungen
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