Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Wüstenbewohner ablegen und wieder ihre unauffälligen Reisekleider überstreifen lassen. Zwar trug er jetzt eine schwarze Hose und ein einfaches Hemd, doch war sein Schwert alles andere als unauffällig. Selbst Kahlan hatte schlichtere Kleidung angezogen, die besser zu der ärmlichen Bevölkerung der Alten Welt paßte, auch wenn sie an Kahlan keinen großen Unterschied bewirkten; ihre Figur, ihr Haar, vor allem aber ihre Erscheinung selbst ließen sich dadurch kaum verhüllen. Sobald sie jemanden aus ihren grünen Augen ansah, überkam den Betreffenden der unwiderstehliche Drang, sich auf die Knie zu werfen und das Haupt vor ihr zu senken -ganz gleich, was sie gerade trug.
Zweifellos hatte Jagang ihre Beschreibung landauf, landab verbreitet und eine so gewaltige Belohnung ausgesetzt, daß vermutlich nicht einmal seine ärgsten Feinde der Versuchung widerstehen konnten. Für viele in der Alten Welt jedoch war eine Fortdauer des Lebens unter dem barbarischen Regime der Imperialen Ordnung ein zu hoher Preis. Belohnung oder nicht, viele sehnten sich nach einem Leben in Freiheit und waren bereit, für dieses hehre Ziel zu kämpfen.
Ein anderes Problem waren die Bande zwischen dem jeweiligen Lord Rahl und dem Volk D’Haras, denn die uralten, von Richards Vorfahren geschaffenen Bande ermöglichten es D’Haranern, den jeweiligen Aufenthaltsort des Lord Rahl zu spüren. Das Gleiche galt demnach auch für die Imperiale Ordnung, die diese Information schließlich nur aus einem D’Haraner herauszufoltern brauchte. Verweigerte jemand selbst unter Folter diese Auskunft, würden sie gewiß nicht davor zurückschrecken, es so lange mit anderen zu versuchen, bis sie die gewünschte Information erhielten.
Nachdem der einsame Mann den Fuß des Hügels erreicht hatte, bahnte er sich auf dem Grund der ausgewaschenen Felsrinnen weiter seinen Weg. Ein gutes Stück rechts von Richard wirbelten Wagen und Zuggespann eine lange Staubwolke auf. Dem Anschein nach hielt der Mann genau darauf zu.
Aus dieser Entfernung war es nur schwer mit Gewißheit zu sagen, doch Richard bezweifelte, daß es sich bei dem Mann um einen Soldaten handelte. Ein Späher noch dazu in seiner eigenen Heimat, war er vermutlich ebensowenig. Ein Soldat hätte ohnehin kaum Grund, sich in dieses unbewohnte Gebiet zu wagen. Schließlich hatte Richard diesen Weg - erst östlich im Schatten der Berge, dann auf einer nördlicheren Route wieder zurück zu seinem Ausgangspunkt - exakt aus diesem Grund gewählt.
Richard erklomm die Rückseite eines schmalen Felsgrats, drückte sich mit dem Bauch auf den Boden und riskierte einen Blick über den Kamm. Als der Mann näher kam, sah Richard, daß er noch jung war, nicht einmal dreißig. Er wirkte hager und war mitnichten wie ein Soldat gekleidet. Sein unbeholfenes Stolpern ließ vermuten, daß er entweder mit dem Gelände nicht vertraut oder das Wandern einfach nicht gewohnt war. Über loses, scharfkantiges Trümmergestein zu kraxeln war ermüdend, zumal am Hang, wo man nirgendwo festen Boden hatte, der ein gleichmäßiges Ausschreiten erlaubte.
Der Mann blieb stehen, reckte den Hals und spähte zum Wagen hinüber. Keuchend von der Anstrengung des Abstiegs, strich er sich mehrfach das dünne blonde Haar aus dem Gesicht, ehe er den Oberkörper vorbeugte und sich mit einer Hand auf dem Knie abstützte, um zu verschnaufen.
Als er sich wieder aufrichtete, um seinen Weg fortzusetzen, und mit knirschenden Schritten die ausgewaschene Rinne entlangstolperte, ließ Richard sich vom Felsen hinuntergleiten. Das dazwischen liegende Gelände sowie einige mit knorrigen Fichten bewachsene Stellen als Deckung nutzend, blieb er von Zeit zu Zeit stehen, um auf die schweren Schritte und das mühevolle Atmen zu lauschen und sich zu vergewissern, daß seine blinde Schätzung über die Position des Mannes korrekt war.
Hinter einer alleinstehenden Felswand von gut sechzig Fuß Höhe riskierte Richard nochmals einen vorsichtigen Blick. Mittlerweile hatte er sich fast bis an ihn herangeschlichen, ohne daß der Mann seine Anwesenheit bemerkt hätte. Lautlos tastete sich Richard von Baum zu Fels und im Schutz einiger Böschungen vor, bis er ihm ein gutes Stück voraus war und sich genau in seiner Marschrichtung befand.
Regungslos wie ein Stein lauschte Richard hinter einer gedrehten Säule aus rötlichem, aus dem unebenen Boden ragenden Gestein auf das Knirschen der näher kommenden Schritte, auf den japsenden Atem des Mannes, der just über einige
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