Das Reich des dunklen Herrschers - 8
Glöckchen versehene Schnüre an Stellen zu befestigen, wo sie nur schwer zu erkennen waren. Er mußte noch mehrere der besagten Stäbe aus ihren Halterungen nehmen, um seinen Vorrat an Glöckchen aufzustocken.
Zwar waren überall magische Schilde angebracht worden, andererseits ließ sich unmöglich sagen, über welche Kräfte manche Schwestern der Finsternis verfügten; ganz sicher aber würden sie wohl eher nach Magie als nach Glöckchen Ausschau halten. Die zusätzliche Vorsichtsmaßnahme konnte also nicht schaden.
Zedd machte sich in Gedanken eine Notiz, wo er die feine schwarze Schnur überall aufgespannt hatte, schließlich würde er Adie einweihen müssen. Er bezweifelte allerdings, daß sie mit ihrem Sehvermögen der Gabe dieser Warnung bedurfte. Ihre blinden Augen sahen gewiß weit mehr als jeder Sehende.
Dem köstlichen Duft des Schinkeneintopfes folgend, gelangte Zedd in den gemütlichen, mit Bücherregalen gesäumten Raum, in dem sie sich die meiste Zeit aufhielten. An den niedrigen, mit kunstvollen alten Schnitzereien versehenen Deckenbalken hatte Adie Gewürze zum Trocknen aufgehängt. Vor dem großen offenen Kamin thronte ein Ledersofa, und von den bequemen Sesseln aus, die neben dem mit Silberintarsien verzierten Tisch vor dem im Rautenmuster bleiverglasten Fenster standen, hatte man einen atemberaubenden Blick auf ganz Aydindril.
Die untergehende Sonne tauchte die Stadt tief unten in ein warmes Licht. Alles schien fast so wie immer, außer, daß kein Rauch über dem Kochfeuer aufstieg.
Zedd legte den schweren, mit seiner Ernte gefüllten Leinensack auf einen Bücherstapel auf dem runden, hinter dem Sofa stehenden Mahagonitisch. Dann trat er mit schlurfenden Schritten näher an das Feuer heran, nicht ohne den betörenden Duft des Eintopfs in tiefen Zügen aufzunehmen.
»Adie«, rief er, »es duftet köstlich. Hast du heute schon einen Blick aus dem Fenster geworfen? Ich habe überaus merkwürdige Vögel gesehen.«
Lächelnd nahm er eine weitere Prise.
»Adie - meiner Meinung dürfte er jetzt fertig sein«, rief er zur Tür der Speisekammer hinüber. »Ich finde, wir sollten wenigstens mal probieren. Es kann nicht schaden, eben mal zu kosten, weißt du.«
Zedd blickte über seine Schulter. »Adie? Hörst du mir überhaupt zu?«
Er ging zur Tür hinüber und schaute in die Speisekammer, aber dort war niemand.
»Adie?«, rief er die Stufen an der Rückseite der Speisekammer hinunter. »Bist du da unten?«
Als sie nicht antwortete, verzog Zedd mißmutig den Mund.
»Adie?«, versuchte er es erneut. »Verdammt, Frau, wo steckst du nur?«
Er wandte sich wieder herum und linste hinüber zu dem Eintopf, der in dem an einem Arm über dem offenen Feuer hängenden Kessel vor sich hin köchelte.
Dann schnappte er sich einen langen Holzkochlöffel aus einem Speisekammerschrank, blieb mitten in der Kammer stehen und lehnte sich Richtung Treppe. »Laß dir nur Zeit, Adie. Ich bin hier oben und werde ein wenig … lesen.«
13
Richard war sofort auf den Beinen, als er Cara durch die Schlucht auf das Lager zumarschieren und dabei einen Mann vor sich herstoßen sah, den er irgendwo schon einmal meinte gesehen zu haben. Im schwindenden Licht war das Gesicht des Mannes nicht deutlich zu erkennen. Er suchte die umliegenden Geröllfelder, die felsigen Hänge und die steilen, baumbewachsenen Hänge dahinter mit den Augen ab, aber sonst war niemand zu sehen.
Friedrich war ein Stück Richtung Süden gegangen, und Tom hatte sich in westlicher Richtung entfernt, um, wie Cara auch, das umliegende Gelände zu erkunden und sich zu vergewissern, daß niemand in der Nähe und dies ein sicherer Platz für ein Nachtlager war. Die beschwerliche Suche nach dem ständig die Richtung wechselnden Pfad durch das zunehmend zerklüftete Gelände hatte an ihren Kräften gezehrt. Cara hatte sich Richtung Norden umgesehen; es war ihre Marschrichtung und die Richtung, aus der Richard die wahrscheinlich größte Gefahr befürchtete. Jennsen ließ von den Tieren ab und wartete, um zu sehen, wen die Mord-Sith da anschleppte.
Kaum auf den Beinen, wünschte sich Richard, er wäre nicht ganz so überhastet aufgesprungen - die hektische Bewegung hatte ein Schwindelgefühl bei ihm ausgelöst. Dieses seltsam losgelöste Gefühl, so als sähe er jemand anderen reagieren, sprechen und sich bewegen, schien er überhaupt nicht mehr ablegen zu können. Manchmal, wenn er sich zusammenriß und sich voll auf eine Sache konzentrierte, ließ das
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