Das Reich des dunklen Herrschers - 8
strafen konnte.
Mit seinem Vorstoß quer durch die gesamten Midlands hatte Jagang einen Keil in die Neue Welt getrieben; überall längs seiner Marschroute hatte er Truppen zurückgelassen, die die Städte und Ortschaften besetzt hielten. Jetzt würde sich die Hauptstreitmacht in ihrer Gier nach Blut nach Osten wenden, gegen das weltabgeschiedene D’Hara. Diese Spaltung der Neuen Welt ermöglichte es Jagang, jeden Widerstand noch erfolgreicher zu zerschlagen.
Zedd raffte sein Gewand am Hals zusammen, als ihn die quälende Erinnerung an diese erbitterten Kämpfe, an die Hoffnungslosigkeit angesichts der enormen zahlenmäßigen Überlegenheit, an all die Toten, das Sterben und an den Verlust von Freunden zu überwältigen drohte. Es war nur eine Frage der Zeit, bis den Horden aus der Alten Welt alles in die Hände fallen würde.
Auch Richard und Kahlan würden die Eroberung durch die Imperiale Ordnung nicht überleben. Der schaurige Gedanke, die beiden zu verlieren, ließ Zedd entsetzt seine dürren Finger vor seine bebenden Lippen schlagen. Sie waren alles, was ihm an Familie noch geblieben war. Sie bedeuteten ihm alles.
Zedd spürte, wie ein Woge der Mutlosigkeit ihn zu überwältigen drohte, und er mußte sich für einen Augenblick vor einem mit Brettern verbarrikadierten Schuhgeschäft auf einem gespaltenen Baumstamm niederlassen. Dann ging es weiter.
Vor einer Steinbrücke blieb Zedd stehen und blickte die breite Straße hinab, die sich den Hang hinaufwand. Das einzige Geräusch, die einzige Bewegung, stammte vom Wind in den Bäumen und deren matt glänzenden Blättern, dennoch verweilte sein Blick lange auf der völlig menschenleeren Straße.
Wegen ihrer strategischen Bedeutung hatte Zedd sowohl auf der Brücke selbst als auch entlang der weiter zur Burg hinaufführenden Straße zahlreiche Fallstricke und Fußangeln ausgelegt, sodaß niemand, der sich ihr zu nähern wagte, mehr als nur ein paar Schritte überleben würde. Nicht einmal eine Schwester der Finsternis wäre imstande, sie zu überwinden. Einige Schwestern hatten das Unmögliche versucht und dies mit ihrem Leben bezahlt.
Vermutlich hatten sie geahnt, daß der Oberste Zauberer persönlich solche Netze ausgelegt hatte, und gewiß auch den einen oder anderen Warnschild gespürt, doch Jagang hatte ihnen in dieser Hinsicht zweifellos keine Wahl gelassen und sie mit dem Befehl losgeschickt, bis in die Burg vorzudringen - und ihr Leben für die höheren Ziele der Imperialen Ordnung zu opfern.
Verna war einst für kurze Zeit Gefangene des Traumwandlers gewesen und hatte Zedd das Erlebnis in allen Einzelheiten geschildert - in der Hoffnung, ein Gegenmittel zu finden, ohne Lord Rahl ewige Treue schwören zu müssen und dadurch den Schutz der Bande zu erbitten, doch so sehr er sich bemüht hatte, Zedd hatte keine Gegenmagie finden können. Bereits während des Großen Krieges hatten weitaus talentiertere Zauberer mit beiden Seiten der Gabe einen Schutz gegen Traumwandler zu ersinnen versucht, doch hatte dieser erst vom Verstand eines Menschen Besitz ergriffen, war der Betreffende ihm schutzlos ausgeliefert und mußte - egal um welchen Preis, und sei es um den des eigenen Lebens - seinen Befehlen Folge leisten.
Weiter vorn ragte die Burg der Zauberer am Seitenhang des Berges in den Himmel. Die hochaufragenden Mauern aus dunklem Gestein, die auf die meisten Menschen eher einschüchternd wirkten, vermittelten Zedd das wohlige Gefühl eines Zuhauses. Er ließ den Blick an der Brustwehr entlangwandern und mußte daran denken, wie er vor vielen Jahren - mittlerweile schien es fast ein ganzes Leben her zu sein - mit seiner Gemahlin dort entlanggeschlendert war. Oft hatte er von den Türmen aus auf die prachtvoll anzuschauende Stadt Aydindril hinuntergeblickt. Einmal war er über die Brücken und durch Verbindungsgänge geeilt, um den Befehl zur Verteidigung der Midlands gegen eine von Darken Rahls Vater angeführte Invasion aus D’Hara zu überbringen.
Auch das schien bereits ein Leben lang zurückzuliegen. Mittlerweile war sein Enkel Richard Lord Rahl; ihm war es gelungen, den größten Teil der Midlands unter der Herrschaft des d’Haranischen Reiches zu vereinen. Verwundert schüttelte Zedd den Kopf, daß ausgerechnet Richard es geschafft hatte, die gesamte Welt auf den Kopf zu stellen. Ihm hatte er es zu verdanken, daß er jetzt Untertan des d’Haranischen Reiches war.
Bevor er das andere Brückenende erreichte, warf er rasch noch einen Blick hinunter
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