Das Reich des dunklen Herrschers - 8
noch einmal in die Hand nehmen und umdrehen wollen, um zu verhindern, daß der Sand weiterrieselte, das jedoch hatte Richard ihr strikt untersagt. Obwohl er von diesen Dingen nichts verstand, hatte er bezweifelt, daß eine so naive Lösung sich vorteilhaft auswirken würde. Schließlich hatten sie sie mit einer Schicht aus Steinen und Gestrüpp bedeckt, damit niemand von ihrer Existenz erfuhr. Offenbar vergeblich.
Jetzt wußte er, daß Caras Berührung lediglich die Warnung ausgelöst hatte, ansonsten aber keinen Einfluß auf die Geschehnisse hatte. Er beschloß, sich seine ursprüngliche Vermutung bestätigen zu lassen. »Legt sie wieder hin, Cara.«
»Hinlegen?«
»Ja, auf die Seite - wie Ihr es schon letztes Mal tun wolltet, um zu sehen, ob der Sand dann zu rieseln aufhört.«
Cara musterte ihn einen Augenblick erstaunt, dann kippte sie die Statuette mit ihrer Stiefelspitze auf die Seite.
Der Sand rieselte munter weiter, so als stünde sie noch immer aufrecht.
»Wie ist das möglich?«, fragte Jennsen ungläubig. »Wie kann der Sand weiterrieseln - noch dazu seitwärts?«
»Du kannst ihn also sehen?«, fragte Kahlan. »Du kannst den Sand deutlich rieseln sehen?«
Jennsen nickte. »Aber ja, und eins sage ich dir, mich überläuft dabei am ganzen Körper eine Gänsehaut.«
Wenn nichts sonst, so mußte zumindest der waagerecht durch die Figur rieselnde Sand magischen Ursprungs sein. Nur hatte Jennsen, eine Säule der Schöpfung, eine Lücke in der Welt, eine von der Gabe völlig unbefleckte Nachkomme Darken Rahls, sie dann eigentlich gar nicht sehen dürfen.
Und doch gab es keinen Zweifel.
Kahlan straffte sich. »Du siehst tatsächlich …«
Plötzlich drang ein eindringlicher Warnruf Toms zu ihnen herüber. Im nu war Richard auf den Beinen und zog in einer einzigen, fließenden Bewegung sein Schwert. Das unverwechselbare Klirren von Stahl erfüllte die Nachtluft.
Die Magie des Schwertes blieb jedoch in der Scheide zurück.
14
Als Richard sein Schwert aus der Scheide riß, warf Kahlan sich zur Seite und ging in Deckung. Das unverwechselbare Klirren des aus Zorn gezogenen Stahls verschmolz mit Toms noch immer durch die umliegenden Hügel hallendem Warnschrei, daß sie vor Angst am ganzen Körper eine kribbelnde Gänsehaut überlief. Instinktiv wollte sie, den Blick starr in das undurchdringliche, nächtliche Dunkel ringsum gerichtet, ebenfalls zu ihrer Waffe greifen, doch die hatte sie, statt sie sich umzuschnallen, auf dem Wagen verstaut, um gar nicht erst mißtrauische Fragen nach ihrer Herkunft aufkommen zu lassen. In der Alten Welt trugen Frauen keine Waffen.
Im Schein des Feuers konnte Kahlan Richards Gesicht deutlich erkennen. Unzählige Male hatte sie ihn das Schwert der Wahrheit ziehen sehen, in den unterschiedlichsten Situationen; beim allerersten Mal, als er es - nachdem Zedd es ihm mit der Aufforderung, es zu ziehen, überreicht hatte - nur zögerlich aus der Scheide herausgezogen hatte, aber auch mitten im Eifer des Gefechts oder in Augenblicken wie diesem, wenn er sich plötzlich verteidigen mußte.
Mit dem Schwert zog Richard auch die mit ihm untrennbar verbundene Magie, denn darin bestand des Schwertes eigentliche Funktion: Seine Magie war nicht einfach nur zur Verteidigung seines rechtmäßigen Besitzers geschaffen worden, sondern diente vielmehr der Projektion seiner Absicht. Im Grunde war das Schwert der Wahrheit nicht einmal ein wirkliches Zaubermittel, sondern vielmehr das Werkzeug des Suchers der Wahrheit. Die eigentliche Waffe war der rechtmäßig ernannte Sucher selbst, der dieses Schwert, dessen Magie ihm allein gehorchte, führte.
Ebendiese Magie hatte sie, wann immer Richard das Schwert gezogen hatte, gefährlich in seinen Augen aufblitzen sehen. Und nun, zum ersten Mal überhaupt, ließ sich in seinen Augen keine Spur von Magie erkennen; der stechende Raubtierblick war ganz Richard und nichts sonst. Hatte es sie schockiert, ihn wohl das Schwert ziehen, nicht aber gleichzeitig dessen Magie in seinen Augen aufblitzen zu sehen, so war Richard vollkommen verblüfft. Er hielt einen Augenblick inne, so als wüßte er nicht weiter.
Noch ehe sie recht dazu kamen, darüber nachzudenken, was Toms Warnschrei ausgelöst haben mochte, stürzten schattenhafte Gestalten, eben noch verborgen im Schutz der nahen Bäume, aus der Dunkelheit hervor. Im nu war die Nachtluft erfüllt vom losbrechenden Lärm und Getöse grauenhafter Schreie, als eine Horde Männer brüllend in ihr Lager
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