Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Reigate-Rätsel

Das Reigate-Rätsel

Titel: Das Reigate-Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
Vom Netzwerk:
interessanten Fälle gab, der Langeweile seiner Existenz zu entgehen.
    Eines Tages im frühen Frühling war er entspannt genug, um sich zu einem Spaziergang im Park aufzuschwingen, zu dem ich ihn ermuntert hatte. Die ersten zarten Sprossen der Ulmen zeigten sich, und die klebrigen, braunen Hüllen der Kastanienblätter waren gerade dabei, aufzubrechen.
    Zwei Stunden strolchten wir herum, schweigsam zumeist, eben wie Männer, die sich gut kennen.
    Es war nahezu fünf Uhr, als wir uns wieder in der Baker Street einfanden.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Sir«, sagte unser Page, als er uns hereinließ. »Es war inzwischen ein Herr hier, der nach Ihnen gefragt hat, Sir.« Holmes sah mich vorwurfsvoll an. »Das kommt von nachmittäglichen Spaziergängen«, sagte er. »Ist der Herr wieder fortgegangen?«
    »Ja, Sir.«
    »Hast du ihn nicht gebeten, hereinzukommen?«
    »Ja, Sir, er ist auch hereingekommen.«
    »Und wie lange hat er gewartet?«
    »Eine halbe Stunde etwa. Er war ein sehr unruhiger Herr, Sir. Er ging ständig hin und her und stampfte mit den Füßen. Ich habe draußen vor der Tür gewartet, Sir, so konnte ich ihn hören. Und schließlich kam er heraus auf den Flur und rief: >Will er denn niemals heimkommen?< Das waren seine Worte, Sir. >Sie brauchen nur noch ein klein wenig länger warten<, sagte ich. >Dann warte ich an der frischen Luft. Hier drinnen ersticke ich fast. Ich werde bald zurückkommen.< Damit war er auch schon draußen. Ich konnte ihn einfach nicht zurückhalten.«
    »Du hast getan, was du konntest«, sagte Holmes und ging in unser Zimmer.
    »Das ist mal eine ärgerliche Geschichte, Watson. Ich brauche dringend einen Fall. Wenn man von der Ungeduld des Mannes ausgeht, scheint es ein wichtiger Fall zu sein. Hallo, das ist doch nicht Ihre Pfeife dort auf dem Tisch? Er muß sie hier vergessen haben. Schönes Stück mit einem langen Bernsteinmundstück. Ich frage mich, wie viele echte Bernsteinmundstücke es wohl in London gibt. Manche Leute glauben, daß eine eingeschlossene Fliege das Zeichen für die Echtheit des Bernsteins ist. Na, der gute Mann muß so sehr mit seinen unruhigen Gedanken beschäftigt gewesen sein, daß er seine Pfeife vergessen hat, die ihm doch sicherlich viel bedeutet.«
    »Wie wollen Sie wissen, daß sie ihm viel bedeutet?«
    »Nun, allein die Anschaffungskosten für ein solches Stück belaufen sich gut auf sieben Shillinge und Sixpence. Schauen Sie einmal, sie ist zweimal repariert worden, einmal der hölzerne Hals und einmal der Bernsteinteil. Beide Reparaturen sind mit Silberdraht ausgeführt. Das muß teurer gewesen sein, als die ganze Pfeife ursprünglich gekostet hat. Der Mann muß seine Pfeife hoch schätzen, wenn er sie für einen hohen Preis-reparieren läßt, statt sich für das gleiche Geld eine neue zu kaufen.«
    »Noch etwas?« fragte ich, denn Sherlock Holmes starrte die Pfeife immer noch auf die ihm eigentümliche Weise an. Er hob sie auf und tippte mit seinem langen, dünnen Finger vorsichtig an den Hals, so wie es ein Medizinprofessor wohl tut, wenn er die Funktion eines bestimmten Knochens erklären möchte.
    »Pfeifen sind gelegentlich sehr interessant«, sagte er. »Außer der Taschenuhr und den Schnürbändern besitzt nichts größere Individualität. Was ich hier allerdings herauslesen kann, ist nicht sonderlich bedeutsam und wohl auch nicht wichtig. Der Besitzer ist offenbar ein sehr muskulöser Mann, Linkshänder, hat sehr gute Zähne, geht sorglos mit seinen Sachen um, und er hat es nicht nötig, sparsam mit Geld zu sein. «
    Mein Freund zählte diese Informationen ganz nebenbei auf, aber er sah mich dabei prüfend an, als wolle er testen, ob ich seinen Schlußfolgerungen folgen konnte.
    »Sie nehmen an, daß ein Mann wohlhabend ist, wenn er eine Sieben-Shilling-Pfeife rauchen kann?« fragte ich.
    »Gestopft mit einer Grosvenor-Mischung für acht Pence die Unze«, antwortete Holmes und klopfte ein wenig Tabak aus dem Pfeifenkopf auf seine Handfläche. »Man kann auch ga nz ausgezeichneten Tabak für die Hälfte dieses Preises kaufen. Also braucht er nicht sonderlich zu sparen.«
    »Und die anderen Punkte?«
    »Er hat die Angewohnheit, seine Pfeife an Lampen und Gaspilotenlichtern anzuzünden, so daß sie an der Seite etwas angekohlt ist. Mit einem Streichholz wäre ihm das nicht passiert. Warum sollte auch jemand ein Streichholz an die Seite der Pfeife halten? Aber Sie können nicht Ihre Pfeife an der Lampe anzünden, ohne dabei die eine Seite

Weitere Kostenlose Bücher