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Das Reigate-Rätsel

Das Reigate-Rätsel

Titel: Das Reigate-Rätsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sir Arthur Conan Doyle
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menschliche Gesellschaft ist ihm zuwider. Dennoch führte er ein sehr unregelmäßiges Leben. In einem Punkt jedoch war er die Pünktlichkeit in Person, jeden Abend um die gleiche Zeit kam er in mein Sprechzimmer und examinierte die Bücher, von jeder Guinea, die ich verdient hatte, gab er mir fünf Shillinge und drei in seinem Sessel saß und mich mit leerem, verzerrtem Gesicht anstarrte. Seine mysteriöse Krankheit hatte ihn wieder in ihren Krallen. Mein erstes Gefühl war, wie ich schon sagte, Mitgefühl und Entsetzen, mein zweites, das muß ich leider zugeben, berufliche Zufriedenheit. Ich notierte Puls und Temperatur meines Patienten, kontrollierte die Steifheit seiner Muskeln und untersuc hte die Reflexe. Nichts war eigentlich abnormal. Und das paßte auch gut in das Bild, das ich mir inzwischen von dieser Krankheit gemacht hatte. Meistens erziele ich recht gute Resultate, wenn ich meine Patienten das Mittel >Amylnitrite< inhalieren lasse. Ich hatte also beste Gelegenheit, dieses Mittel nun auch an diesem Patienten auszuprobieren. So ließ ich meinen Patienten, wie er war, in seinem Sessel sitzen und ging, mir die Flasche zu holen. Ich fand sie jedoch nicht so schnell. Alles in allem war ich wohl fünf Minuten fort. Stellen Sie sich mein Erstaunen vor, als ich in mein Sprechzimmer zurückkehrte. Der Patient war fort. Das Zimmer war leer. Natürlich eilte ich zuerst in mein Wartezimmer. Auch das war leer, auch der Sohn war verschwunden. Die Tür der Halle war geschlossen, aber nicht mit einem Schlüssel verschlossen gewesen. Mein Page, der die Patienten hereinläßt, ist neu bei mir. Besonders schnell ist er nicht. Er wartet unten und führt die Patienten zu mir herein, wenn ich nach ihm läute. Er hatte nichts von den beiden Männern gesehen oder gehört. Die Affäre war einfach rätselhaft.
    Kurz danach kam Mr. Blessington von seinem Spaziergang heim. Ich erzählte ihm nichts von dem, was vorgefallen war, denn, um ehrlich zu sein, hatte ich es mir angewöhnt, so wenig wie möglich mit ihm zu reden.
    Nun ja, ich glaubte, ich hätte meinen russischen Patienten zum letzten Mal gesehen. So können Sie sich also meine Verwunderung vorstellen, als die zwei heute Abend wieder mein Sprechzimmer betraten, gerade wie gestern.
    >Also, lieber Doktor, wir müssen uns wirklich entschuldigen, daß wir gestern so einfach verschwunden sind<, sagte mein Patient.
    >Ich muß schon sagen, daß mich das sehr überrascht hat<, sagte ich.
    >Na ja<, sagte er, >es war so, daß ich aus meiner Attacke wieder zu mir kam, mein Verstand jedoch noch so umnebelt war, daß ich nicht mehr wußte, wo ich mich befand. Mir schien, daß ich in einem völlig fremden Raum erwachte. Ich ging einfach los und auf die Straße, während Sie fort waren.<
    >Und ich<, sagte der Sohn, >sah, wie mein Vater an der Tür des Wartezimmers vorbeiging. Ich glaubte natürlich nichts anderes, als daß die Konsultation zu Ende sei. Erst als wir wieder zu Hause waren, entdeckte ich, wie die Dinge in Wirklichkeit gelaufen waren.<
    >Na gut<, sagte ich lachend, >dann ist ja weiter nichts geschehen, als daß ich etwas zum Rätselraten gehabt habe. Sir, wenn Sie also wieder ins Wartezimmer gehen wollen, dann will ich mit der Untersuchung Ihres Vaters fortfahren, die gestern so abrupt abgebrochen wurde.< Eine halbe Stunde lang habe ich mich mit den Symptomen des alten Mannes befaßt, alle Einzelheiten durchgesprochen, dann gab ich ihm eine Verschreibung, und er ging am Arm seines Sohnes davon.
    Ich habe Ihnen ja schon erzählt, daß Mr. Blessington diese Stunde des Tages für seinen täglichen Spaziergang benutzte. Kurze Zeit, nachdem Vater und Sohn mich verlassen hatten, kam er heim und ging die Treppe hoch zu seiner Wohnung. Einen Augenblick später stürmte er jedoch die Treppe herunter und stürzte direkt zu mir ins Sprechzimmer. In seiner Panik schien er wie von Sinnen.
    >Wer ist in meinem Zimmer gewesen?< schrie er. >Niemand<, antwortete ich.
    >Das ist eine Lüge!< brüllte er. >Kommen Sie und schauen Sie sich das an!< Ich bemerkte überrascht seine grobe Ausdrucksweise, denn er schien vor Angst außer sich zu sein. Wir gingen gemeinsam die Treppe hinauf, und er zeigte mir die Fußabdrücke auf dem hellen Teppich.
    >Sie glauben doch nicht, daß das meine sind?< schrie er.
    Es waren deutlich größere Fußabdrücke, als er sie hätte produzieren können, und ganz frisch waren sie auch. Es hatte am Nachmittag stark geregnet. Diese Patienten waren die einzigen, die mich

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