Das reine Karma 2
Wirkung. Wenn das Bild eine starke unterbewusste Aggression hat, dann ist es schwach und sollte besser nicht ausgestellt werden.“
„Was hat denn das mit Aggression zu tun?“
„Bilder können eine minimale unterbewusste Aggression bei starker bewusster Aggression haben. Die Menschen verstehen nicht, warum die meisten Maler trinken, Frauen den Hof machen und das Geld sehr lieben, obwohl sie es überhaupt nicht nötig haben. Der Kunst liegt Religion zugrunde. Um in diesem Leben ein guter Maler zu sein, muss man im früheren Leben ein Einsiedler gewesen sein. Anfangs strebt der Mensch zu Gott, sagt sich von allem Irdischen los, malt keine Bilder, weil für ihn irdische Dinge Degradation bedeuten. Doch wenn sich das Göttliche gefestigt und durchgesetzt hat, verlangt es sein Gegenteil — das Materielle. Dann haben wir es mit einem Maler zu tun, der äußerlich sehr an die Erde und alle irdischen Güter gebunden, doch innerlich von ihnen vollkommen frei ist. Das Fehlen jeglicher unterbewusster Aggression zeugt davon, dass die Seele des Malers auf Gott gerichtet und nicht ans Irdische gebunden ist. Je größer das Potential des im Bild dargestellten Materiellen, d.h. das formale Streben zum Irdischen, und je stärker das Streben zu Gott im Innern, umso besser ist die Malerei.“
Die ersten Jahre der Sowjetmacht: Es herrschen Zerstörung und Hunger, doch in der Kunst ist die Lage entgegengesetzt. Neue Ideen und Strömungen kommen auf, neue Formen der Wahrnehmung der Welt entstehen.
In einem kleinen Saal sitzt ein der Koryphäen der Theaterkunst — Wachtangow. Inszeniert wird „Turandot“. Die Schauspieler sollen mit dem Saal zusammenwirken, sich die Stichworte geben und dabei auch noch, selbstvergessen, ihre Personen vollkommen natürlich darstellen. Auf Abstand zur Rolle können die Schauspieler gehen, doch zum Saal gelingt es ihnen nicht. Immer wieder verlangt Wachtangow, dass sich Schauspieler und Person nicht miteinander vermischen, doch das gelingt nicht. Die Schauspieler verinnerlichen die Personen, sodass auf der Bühne kein reales Gefühl aufkommt. Die Schauspieler geben sich alle Mühe, sie wissen, dass der Regisseur bald sterben muss. Sie wollen ihm eine Freude bereiten, doch vergeblich. Dann steht Wachtangow auf und geht.
„Gehen Sie nicht weg“, schreit ihm mit flehender Stimme eine Schauspielerin nach.
Er dreht sich um und streckt die Hand aus.
„Wiederholen Sie sofort, mit derselben Intonation, Ihren Text.“
Er nimmt wieder Platz, und die Probe wird fortgesetzt.
Was waren Rolle und Sinn der sowjetischen Kunst der 20er Jahre? Warum hat sie die ganze Menschheit so nachhaltig beeinflusst? Sie war ein weiterer Versuch, eine neue Weitsicht zu schaffen.
„Das Theater“, schrieb Peter Brook, „wird geboren, lebt und stirbt.“ Alles beginnt mit dem Straßentheater. Die Person ist da von minimaler Bedeutung. Der Schauspieler wendet sich direkt an die Menge, bringt sie zum Lachen und bezieht sie in das Spiel ein. Dann wird das Theater reif und erblüht. Der enge Kontakt mit dem Zuschauer bleibt bestehen, doch der Kunst des Spiels wird immer größere Aufmerksamkeit gewidmet. Und dann stirbt das Theater. Die Zuschauer werden durch einen erhöhten Bühnenrand abgetrennt, der Schauspieler kann nicht an sie denken, er kann nur auf seine dargestellte Person eingehen und für sie arbeiten, und es passiert nichts Besonderes. In jedem Theater gibt es diese Tendenzen in verschiedenen Proportionen.
In den Blütezeiten der Menschheit, die sich früher über größere Zeiträume erstreckten, vereinigten sich diese Theater zu einem. Das war nur unter einer Bedingung möglich: Der Schauspieler durfte nicht mit der dargestellten Person verschmelzen. In einer der ersten Blüteperioden des antiken Griechenlands wurde diese Regel strikt eingehalten. Die Zuschauer liebten Tragödien über alles, denn hierbei kam es zu höchster Gefühlsbewegung, die vom Schauspieler und der Person empfunden wurde. Wenn die Zuschauer sahen, dass der Schauspieler tatsächlich weinte, bewarfen sie ihn mit faulen Eiern. Die Person konnte weinen, der Schauspieler musste sich freuen. Der Schauspieler musste an die Zuschauer im Amphitheater denken, die Person musste an die auf der Bühne ablaufenden Ereignisse denken.
In der Epoche der Renaissance wiederholte sich alles. Und die letzte, abschließende Periode ist die Kunst des 20. Jahrhunderts, in der sich immer deutlicher neues Denken durchsetzt. Der Geist nimmt im Körper Gestalt
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