Das Reisebureau Thompson und Comp.
miteinander aus.
»Du lieber Gott, sagte Thompson endlich mit wiederzurückkehrendem Lächeln, da muß ich Ihnen, Herr Professor, doch wohl Ihre Freiheit wiedergeben. Ich selbst, ich bekümmre mich ja keinen Deut um Las Palmas; ich werde, wenn Sie es erlauben, mich einfach an Bord begeben.«
Thompson kehrte damit um und hartnäckig folgte ihm der unergründliche Holländer, der sich offenbar auch nicht für Las Palmas interessierte.
Morgan, der sehr froh über den Ausgang der Sache war, dachte noch über das seltsame Abenteuer nach, als er sich von einer lustigen Stimme angerufen hörte.
»Was zum Teufel machen Sie denn hier? Was ist denn aus Ihrem Regiment geworden? fragte Roger aus dem Wagen heraus, worin er den beiden Amerikanerinnen gegenübersaß.
– Aus meinem Regiment? antwortete Morgan auf denselben Ton eingehend, ich wäre selbst begierig, von ihm etwas zu hören. Der Oberst hat sich an Bord zurückbegeben, in der Hoffnung, dort seine Soldaten zu finden.
– Da wird er vielleicht nur den unbezahlbaren Johnson antreffen, sagte Roger de Sorgues lächelnd, da dieses Original sich darauf versteift, niemals das Land zu betreten. Doch Sie, was machen Sie denn?
– Absolut nichts, wie Sie sehen.
– Nun, schloß Roger das kurze Gespräch, indem er ihm an seiner Seite Platz machte, dann kommen Sie mit uns. Sie werden uns zum Führer dienen, Herr Professor.«
Der Rio von Guiniguanda trennt Las Palmas in zwei ungleiche Teile: in die hohe Stadt, die nur von Vornehmen und Beamten bewohnt wird, und die niedrige Stadt, das eigentliche Handelsquartier, das am Vorgebirge im Westen endigt, an dessen Spitze sich das Festungswerk des Castillo del Rey erhebt.
Drei Stunden lang durchstreiften die vier Touristen, teils zu Fuß, teils im Wagen, die Straßen der Hauptstadt, und als sie dessen müde waren, ließen sie sich nach der »Seamew« zurückbefördern, und wer sie jetzt gefragt hätte, dem würden sie geantwortet haben:
»Las Palmas ist eine recht gut gebaute Stadt mit schmalen, schattenreichen Straßen, wo aber die Bodengestaltung eine Promenade zu einem fortwährenden Auf-und Absteigen macht. Außer der Hauptkirche im Stile spanischer Renaissance hat sie wenig interessante Bauwerke aufzuweisen. Was das maurische Aussehen der Stadt vom Meere aus betrifft, so erweckt das nur unerfüllte Hoffnungen. In der Nähe verblaßt dieser Reiz, man kann sich kaum etwas weniger Maurisches vorstellen als ihre Straßen, ihre Häuser und ihre Einwohner, die der Bewunderung der Fremden nur eine ausschließlich europäische, mehr französische Eleganz zu bieten haben.«
Darauf beschränkten sich also die Reiseeindrücke. Wie hätte es auch anders sein können? Hatten die Reisenden denn mit diesem Volk gelebt, um die Höflichkeit und Zuvorkommenheit schätzen zu können, die, mit außerordentlicher Lebhaftigkeit gemischt, das Messer so leicht aus der Scheide fliegen lassen? Waren sie in die Häuser mit den tadellosen Fassaden gekommen, die nur lächerlich kleine Räume enthalten, während darin aller Platz dem Salon vorbehalten ist, der eine Größe zeigt, die mit den ähnlichen Räumen auf den Kanarien wetteifern kann? Konnten sie die Seele dieser Leute durchschauen, in der sich der Stolz ihres Ahnen, des Hidalgo, mit dem naiven Hochmute des Guanche, eines abgeleugneten Ahnen, mischt?
Hierin liegt überhaupt der Nachteil der zu schnellen Reisen. Der viel zu komplizierte Mensch bleibt dabei außer Betracht, nur die Natur läßt sich mit einem Blicke erfassen.
Man muß freilich auch Muße haben, sie zu betrachten, und in dem Programm der Agentur Thompson war das nicht vorgesehen.
Die nur oberflächlichen Eindrücke, die die Touristen von ihrer Promenade durch Las Palmas gewonnen hatten, gingen Morgan auch noch ab. Er hatte den in Gesellschaft der Mrs. Lindsay verlebten Nachmittag überhaupt… nichts gesehen. Seine Augen bewahrten nur ein Bild, das der jungen Frau, wie sie in den Straßen bergauf oder bergab schritt und mit gewinnender Einfachheit ihn fragte oder ihm antwortete.
Da hatte er seine Entschlüsse vergessen und sich ganz dem Glücke des Augenblicks hingegeben.
Kaum aber hatte er das Deck der »Seamew« wieder betreten, als ihn die einen Augenblick zerstreuten Sorgen wieder überfielen. Warum sollte er sich mit Bewußtsein verstellen, warum sich auf einen Weg begeben, dem er doch nicht bis ans Ende zu folgen gewillt war? Der heutige glückliche Nachmittag hatte in ihm nur das bittere Gefühl zurückgelassen, seine
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